Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Verweigerung der Auskunftserteilung. Amtsermittlungspflicht. Beweislastverteilung. Aktienfondsvermögen. keine Zweckbestimmung zur Altersvorsorge

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es verbleibt auch im Fall der verweigerten Auskunft des Klägers zur Höhe von Vermögenswerten trotz des Bestehens einer entsprechenden Obliegenheit zur Auskunftserteilung bei der Amtsermittlungspflicht des Grundsicherungsträgers bzw im sozialgerichtlichen Verfahren des Gerichts. Allerdings trägt derjenige, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beantragt, die Folgen der objektiven Beweislosigkeit, wenn sich nach Ausschöpfung der verfügbaren Beweismittel die Leistungsvoraussetzungen (hier: Hilfebedürftigkeit) nicht feststellen lassen (Anschluss an BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 10/08 R = ZFSH/SGB 2009, 282 = juris RdNr 21).

2. In einem Fonds gebundenes Kapital kann nicht als Altersvorsorgevermögen unberücksichtigt bleiben, wenn es an objektiven Umständen fehlt, die auf eine Zweckbestimmung zur Altersvorsorge schließen lassen und der Hilfebedürftige jederzeit uneingeschränkten Zugriff nehmen kann.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 25.02.2020; Aktenzeichen B 14 AS 143/20 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13.12.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.07.2017 bis zum 31.12.2017 wegen der Hilfebedürftigkeit des Klägers entgegenstehenden Vermögens im Streit.

Der am 1965 geborene Kläger bezog bis zum 30.06.2017 Leistungen nach dem SGB II vom Jobcenter. Zum 01.07.2017 verlegte er seinen Wohnsitz in den örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten.

Bereits am 09.06.2017 beantragte der Kläger die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.07.2017. Im Rahmen der Antragstellung legte er den Jahresdepotauszug seines D.-Fonds zum 31.12.2016 vor. Zu diesem Zeitpunkt betrug der Fondswert 8.099,66 €. Das Girokonto des Klägers wies zum 31.05.2017 ein Guthaben in Höhe von 11.793,84 €, zum 30.06.2017 ein Guthaben in Höhe von 9.714,45 € und zum 31.07.2017 ein Guthaben in Höhe von 8.303,04 € aus.

Am 29.08.2017 stellte der Kläger einen weiteren Antrag auf die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.08.2017.

Der Beklagte lehnte durch Bescheid vom 21.09.2017 die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II auf die Anträge des Klägers vom 09.06.2017 und vom 29.08.2017 ab. Der Kläger sei wegen seines Vermögens nicht hilfebedürftig.

Mit Schreiben vom 27.09.2017 beantragte der Kläger die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.09.2017. Der Beklagte entschied hierauf durch Bescheid vom 07.12.2017 über vorläufige Leistungen für den Zeitraum vom 01.09.2017 bis zum 28.02.2018. Die Höhe der Leistungen betrug für September und Oktober 2017 wegen des den Freibetrag übersteigenden Vermögens 0 €, für November 2017 wegen des teilweise den Freibetrag übersteigenden Vermögens 221,74 €, für Dezember 2017 909 € und für Januar und Februar 2018 jeweils 916 €. In den Monaten Dezember bis Februar berücksichtigte der Beklagte kein verwertbares Vermögen des Klägers.

Gegen den Bescheid vom 21.09.2017 über die Ablehnung der Bewilligung von Leistungen auf die Anträge vom 09.06.2017 und vom 29.08.2017 erhob der Kläger Widerspruch. Er machte geltend, sein Vermögen übersteige nicht den ihm zustehenden Freibetrag. Der D.-Fonds sei als Vermögen nicht verwertbar, weil er seiner Alterssicherung diene. Das Guthaben auf seinem Girokonto benötige er für notwendige Anschaffungen und zum Aufbau seiner selbständigen Tätigkeit. Während des Widerspruchsverfahrens legte der Kläger einen Kontoauszug seines D.-Fonds vor. Aus diesem ergab sich zum 05.10.2017 ein Guthaben in Höhe von 9.401,69 € sowie die teilweise Überweisung dieses Guthabens in Höhe von 2.000 € am 24.10.2017 auf das Girokonto des Klägers. Durch Widerspruchsbescheid vom 29.11.2017 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger sei zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht hilfebedürftig gewesen. Der D.-Fonds sei verwertbares Vermögen, das den Freibetrag des Klägers in Höhe von 8.550 € übersteige. Die gesetzlich vorgesehenen Vermögensprivilegierungen seien nicht auf den Kläger anwendbar.

Deswegen hat der Kläger am 22.12.2017 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Das SG hat den Kläger mehrfach aufgefordert, den Stand des D.-Fonds im Zeitraum vom 01.07.2017 bis zum 31.10.2017 mitzuteilen oder ihm zu gestatten, selbst bei der D.-Bank die entsprechenden Auskünfte einzuholen (Verfügung vom 02.03.2018, Erinnerung vom 18.04.2018, Verfügungen vom 13.08.2018 und vom 13.09.2018). Der Kläger hat eine entsprechende Auskunftserteilung für nicht erforderlich gehalten und hat auch nicht die Einholung einer ...

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