Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Versicherungsfreiheit. ehemals Selbstständiger. dreijährige Wartefrist. Anwendbarkeit der Besitzstandsregelung des § 6 Abs 9 SGB 5. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.3.2007 in § 6 Abs 1 S 1 SGB 5 eingefügte "Wartefrist", nach der abhängig Beschäftigte mit einem Einkommen über der jeweils für sie geltenden Jahresarbeitsentgeltgrenze erst nach drei Kalenderjahren mit einem solchen Einkommen versicherungsfrei werden, gilt auch für solche Versicherten, die vor Aufnahme ihrer Beschäftigung selbstständig tätig waren und die bereits privat krankenversichert sind, unabhängig davon, wie hoch ihr Arbeitseinkommen als Selbstständiger war.
2. Auch auf die Besitzstandsregelung in § 6 Abs 9 SGB 5 kann sich ein Versicherter nicht berufen, der am Stichtag (2.2.2007) selbstständig war.
3. Diese Auslegung der beiden Vorschriften verletzt keine Grundrechte des Versicherten. Der Eingriff in Art 2 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG ist ua deshalb verhältnismäßig, weil die Betroffenen während der dreijährigen Wartezeit ihre private Krankenversicherung in eine Anwartschaftserhaltungsversicherung umwandeln können.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 05. Februar 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung seiner Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Der am 1964 geborene Kläger war vom 01. Januar 1999 bis 31. August 2001 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten freiwillig krankenversichert. Seit dem 01. September 2001 unterhält er bei der HUK-Coburg eine private Krankenvollversicherung. Er war bis zum 31. März 2004 abhängig beschäftigt, aber wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei. Seine Einkünfte aus seiner Beschäftigung betrugen im Jahre 2001 € 43.909,74, 2002 € 45.772,00, 2003 € 58.422,00 und von Januar bis März 2004 € 14.639,00. Vom 01. April 2004 bis zum 31. Januar 2005 war er selbstständig tätig. Vom 01. Februar bis zum 31. Dezember 2005 war er wieder abhängig beschäftigt, das der Beklagten gemeldete Bruttoentgelt für diese elf Monate betrug € 35.066,00. Vom 01. Januar 2006 bis zum 31. August 2007 war er erneut selbstständig tätig.
Seit dem 01. September 2007 ist der Kläger wiederum abhängig beschäftigt. Sein Bruttogehalt betrug von September bis November jeweils € 4.532,00, im Dezember € 4.832,00. Im Jahre 2008 lag es (jeweils ohne geldwerte Sachvorteile) bei € 56.044,79, wobei die Monatsbeträge € 3.760,00 (April, August, September, Oktober, Dezember), € 4.637,00 (Januar, Februar), € 5.949,33 (März), € 5.812,00 (Mai), € 5.275,00 (Juni), € 3.889,96 (Juli) und € 7.044,00 (November) betrugen. Von Januar bis April 2009 betrug das Bruttogehalt (ebenfalls ohne geldwerte Vorteile) gleichbleibend € 3.818,00 im Monat. Auf die Aufforderung der Beklagten vom 18. Oktober 2007 hin meldete sein Arbeitgeber den Kläger als Pflichtversicherten an und führt seitdem u.a. auch die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung an die Beklagte ab.
Der Kläger beantragte unter dem 30. Oktober 2007 bei der Beklagten “Befreiung„ von der gesetzlichen Krankenversicherung. Er führte aus, er sei seit dem “31. August 2001„ trotz unterschiedlicher Einkunftsarten privat krankenversichert und zuletzt selbstständig gewesen. Er wolle seine private Krankenversicherung “auf Grund der jetzigen Einkommenshöhe„ fortführen. Mit e-mail vom 29. November 2007 trug er ergänzend vor, er sei dauerhaft von der Krankenversicherungspflicht befreit, weil er die Jahresarbeitsentgeltgrenze als Beschäftigter in mehr als drei aufeinander folgende Jahren, nämlich von 1999 bis 2005, überschritten habe. Die drei Jahre oberhalb dieser Grenze müssten nicht unmittelbar vor der möglicherweise versicherungspflichtigen neuen Beschäftigung gelegen haben.
Mit Bescheid vom 30. November 2007 an den Kläger führte die Beklagte aus, eine Befreiung von der Versicherungspflicht sei nicht möglich. Der Kläger sei auch nicht versicherungsfrei. Hierzu müsse nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG; auch im Folgenden § 6 SGB V jeweils in dieser Fassung) vom 26. März 2007 (BGBl. I, S. 378) das Einkommen aus einer Beschäftigung in drei aufeinander folgenden Jahren über der Jahresarbeitsentgeltgrenze gelegen haben. Auch auf die “Besitzstandsregelung„ (§ 6 Abs. 9 SGB V) könne sich der Kläger sich nicht berufen. Diese setze voraus, dass ein Arbeitnehmer am 02. Februar 2007 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei und privat krankenversichert gewesen sei. Der Kläger sei jedoch an diesem Stichtag selbstständig tätig gewesen. Er sei daher ab Beginn seiner Beschäftigung als v...