Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung. Aufhebung. Honorarbescheid. Praxisgemeinschaft. Gemeinschaftspraxis. Arztwechsel. Abrechnung. hausärztliche Grundvergütung. Neufestsetzung des Honorars. Schätzungsermessen
Orientierungssatz
1. Einer Kassenärztlichen Vereinigung ist es gestattet, zur Sicherstellung einer vertragsgemäßen Versorgung ebenso wie zur Verwirklichung einer materiell zutreffenden Honorarverteilung unter den Vertragsärzten, die einem Vertragsarzt aufgrund nicht ordnungsgemäßer Honorarabrechnung zu Unrecht erteilten Honorarbescheide ohne Beachtung weiterer Voraussetzungen aufzuheben und den materiell-rechtlich richtigen Zustand herzustellen (vgl BSG, vom 17.09.1997 - 6 RKa 86/95 - = SozR 3 5550 § 35 Nr 1).
2. Der Umstand, daß 85 % der Patienten einer Kassenart von beiden Ärzten hausärztlich betreut worden sind, schließt die Annahme, die Ärzte hätten eine Praxisgemeinschaft geführt, aus.
3. Ein Hausarzt darf es nicht einfach hinnehmen und schon gar nicht steuernd daraufhinwirken, daß ein grundloser Wechsel, noch dazu in der überwiegenden Mehrzahl der Patienten, stattfindet.
4. Hat der erstbehandelnde Vertragsarzt die mit der hausärztlichen Grundvergütung und die mit der Ordinationsgebühr vergüteten Leistungen nicht auf das Quartal bezogen vollständig erbracht, sondern die weitere Erfüllung der Leistung dem anderen Praxispartner überlassen, so können beide Vertragsärzte allenfalls einmal die hausärztliche Grundvergütung verlangen.
5. Der Wegfall der Garantiefunktion der Sammelerklärung berechtigt die Kassenärztliche Vereinigung, das dem Vertragsarzt zustehende Honorar neu festzusetzen. Sie hat dabei ein weites Schätzungsermessen (vgl BSG vom 17.09.1997 - 6 RKa 86/95 = aaO). Dabei kann sie sich einer pauschalierenden Schätzung bedienen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte die Honorare der Kläger für die Quartale 1 und 2/96 zu Recht um 59.154,00 DM nachträglich berichtigt hat.
Die Kläger sind als praktische Ärzte seit 1991 zur vertragsärztlichen Versorgung in S-F zugelassen. Sie haben diese Praxis ursprünglich als Gemeinschaftspraxis geführt (Beschluß des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 26.06.1991). Mit Schreiben vom 16.02.1994 teilten sie der Beklagten mit, daß zum Ende des Quartals 1/94 die Gemeinschaftspraxis in eine Praxisgemeinschaft geändert werde. Hiervon hat der Zulassungsausschuß mit Beschluß vom 09.03.1994 Kenntnis genommen.
Mit Schreiben vom 04.12.1996 teilte die Beklagte den Klägern mit, bei der Überprüfung der Abrechnung für das Quartal 3/96 sei ein Vergleich der Patienten bei der AOK Stuttgart durchgeführt worden. In insgesamt 372 von 438 Fällen sei von beiden Praxen mit "Originalschein" abgerechnet worden. 85 % der Patienten seien in beiden Praxen somit primär hausärztlich behandelt worden. Dieses Abrechnungsverfahren stelle einen Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften dar. Einer Aufforderung, die Unterlagen zu berichtigen, seien die Kläger nicht nachgekommen. Die hausärztliche Grundvergütung und die volle Ordinationsgebühr werde somit von beiden Ärzten in Anspruch genommen. Auch sei die Berechnungsbasis für das Teilbudget ungerechtfertigt erhöht, weil zu hohe Fallzahlen der Berechnung zugrundegelegt worden seien. Auf der Basis der Auszählung sei für die Quartale 1 und 2/96 eine Neuberechnung der Honorarforderung zugunsten der Praxis unter der Annahme durchgeführt worden, daß 85 % der Patienten in der Praxis Frau Dr. K-F im Rahmen einer Urlaubs-/Krankheitsvertretung behandelt worden seien. Dabei habe sich eine Überzahlung für das Quartal 1/96 von 410.698 Punkten und für das Quartal 2/96 von 399.633 Punkten ergeben. Multipliziert mit einem durchschnittlichen Punktwert von 0,073 DM ergebe dies eine Rückforderung von insgesamt 59.154,-- DM. Auf beide Praxen umgerechnet entfielen auf die Praxis von Frau Dr. K-F (2.121 Fälle) 28.922,46 DM und auf Herrn Dr. F (2.217 Fälle) 30.231,54 DM. Die Berechnung auf der Basis der Abrechnung Frau Dr. K-F stelle die für beide Praxen günstigere Berechnungsgrundlage dar.
Den Widerspruch der Kläger wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.1997 zurück.
Das Bemühen der Kläger um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes blieb erfolglos. Mit Beschlüssen vom 11.12.1996 -- S 5 Ka 5344/96 eA und S 10 Ka 5345/96 eA -- wurden die entsprechenden Anträge der Kläger zurückgewiesen. Die Kläger hätten entgegen ihren vertraglichen Pflichten über den Inhalt des § 76 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) die Patienten nicht davon unterrichtet, daß ein Hausarztwechsel innerhalb eines Quartals nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes erfolgen solle.
Die Kläger haben hiergegen am 14.05.1997 Klage bei dem Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, sie hätten früher eine Gemeinschaftspraxis betrieben, so daß die Patienten es aus dieser Zeit gewohnt seien, von beiden Ärzten behandelt zu werden. Die Patienten hätten während eines Quartals den Hausarztwechsel allein unter dem Gesichtspunkt vorgenommen, welcher der ...