Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankengeld. Entstehung des Anspruchs. Einheit des Versicherungsfalls
Leitsatz (amtlich)
Für den Anspruch auf Krankengeld reicht es aus, daß die Arbeitsunfähigkeit während des Beschäftigungsverhältnisses eingetreten ist. Es schadet nicht, wenn der Krankengeldanspruch (als Zahlungsanspruch) iS von § 46 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 5 erst nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses "entsteht", weil die Arbeitsunfähigkeit erst dann erkannt oder ärztlich festgestellt wird.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin über den 10. Juli 1992 hinaus Krankengeld zahlen muß.
Die am geborene Klägerin war seit 1. Januar 1992 bei der im Handelsregister B eingetragenen K. Textileinzelhandelsfirma "D Inhaberin S." als Verkäuferin versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der Beklagten. Am 10. Juni 1992 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis fristlos mit der Begründung, die Klägerin habe mehrmals während der Öffnungszeiten und außerhalb ihrer Pausen geschlafen; trotz Verwarnung sei dies heute zum wiederholten Male vorgefallen. Die wegen der Kündigung erhobene Klage wurde abgewiesen (Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 1. April 1993 - 3 Ca 292/92, bestätigt durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 5. Mai 1994 - 13 Sa 36/93).
Am 12. Juni 1992 stellte Arzt für Innere Krankheiten Dr. K, K, fest, daß die Klägerin seit 11. Juni 1992 wegen Depression arbeitsunfähig sei; die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ging bei der Beklagten am 15. Juni 1992 ein. In den Verwaltungsakten der Beklagten finden sich zahlreiche weitere, bis in das Jahr 1993 hinein reichende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und Auszahlscheine, in denen als Diagnosen auch Alkoholsucht mit organischer und Persönlichkeitsschädigung, Alkoholabhängigkeit, toxische Fettleber und Halswirbelsäulensyndrom genannt sind. Vom 17. bis 30. September 1992 ist die Klägerin im Krankenhaus behandelt worden, vom 16. April bis 7. Juli 1993 hat sie sich in einer von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) bewilligten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme befunden.
Durch Bescheid vom 30. Juni 1992 erkannte die Beklagte der Klägerin ab 13. Juni 1992 Krankengeld zu, fügte aber hinzu, daß der Krankengeldanspruch längstens bis zum 10. Juli 1992 dauere. Den mit der Begründung, das Arbeitsverhältnis sei nicht wirksam gekündigt worden, eingelegten Widerspruch der Klägerin wies der Widerspruchsausschuß I der Beklagten durch Bescheid vom 15. April 1993 unter Hinweis darauf zurück, daß der nachgehende Anspruch, den die am 11. Juni 1992 eingetretene Arbeitsunfähigkeit gemäß § 19 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) ausgelöst habe, nach einem Monat erloschen sei.
Zur Begründung ihrer hierwegen beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhobenen Klage brachte die Klägerin nach rechtskräftigem Abschluß des Arbeitsgerichtsrechtsstreits vor, § 19 SGB V sei verfassungswidrig. Sie legte das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden- Württemberg vom 9. Mai 1994 - 13 Sa 36/93 vor.
Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid entgegen. Das SG hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 9. März 1995 abgewiesen. Nach dem Ergebnis des arbeitsgerichtlichen Verfahrens stehe fest, daß die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten aufgrund der am 10. Juni 1992 ausgesprochenen Kündigung mit Ablauf dieses Tages geendet habe. Wenn die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger ende, bestehe gemäß § 19 Abs. 2 SGB V ein Anspruch auf Leistungen, also auch auf Krankengeld, längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft. Für diesen Zeitraum habe die Beklagte Krankengeld zuerkannt. Ein weitergehender Anspruch bestehe nicht. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 19 SGB V seien weder vorgetragen noch ersichtlich.
Gegen diesen, ihrem Prozeßbevollmächtigten am 14. März 1995 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Klägerin mit ihrer am 15. April 1995 schriftlich beim Landessozialgericht eingelegten Berufung. Sie führt aus, ihre Mitgliedschaft habe nicht geendet, sondern sich als freiwillige fortgesetzt, weil sie nicht den Austritt erklärt habe. Ferner müsse bezweifelt werden, ob die in § 19 Abs. 2 SGB V festgelegte Monatsfrist der dem Gesetz zu Grunde liegenden Sozialabsicht entspreche.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9. März 1995 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 30. Juni 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. April 1993 zu verurteilen, ihr vom 11. Juli 1992 bis zum 11. Juli 1993 Krankengeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, die freiwillige Weiterversicherung der Klägerin umfasse keinen Anspruch auf Krankengeld, weswegen es bei der Rechtsfolge des § 19 Abs. 2 SGB V bleibe. Selbst wenn man einen weitergehenden Anspruch auf Krankengeld rechtlich für möglich halte, könne die Klägerin kein Krankengeld erhalten, weil die...