Entscheidungsstichwort (Thema)

Subjektive Erforderlichkeit. Rücknahme der fingierten Genehmigung

 

Leitsatz (amtlich)

§ 13 Abs 3a SGB V begründet einen eigenen Anspruch der Berechtigten, den ihnen das Gesetz kraft Genehmigungsfiktion durch fingierten Verwaltungsakt zuerkennt. Die Rechtmäßigkeit der fingierten Genehmigung hängt nicht davon ab, ob dem Versicherten auch ohne die Fiktion ein Anspruch auf diese Leistungen zustehen würde.

 

Normenkette

SGB V § 13 Abs. 3a; SGB X § 44 Abs. 1; VwVfG § 42a

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 06.07.2017 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch im Berufungsverfahren die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob für von der Klägerin beantragte Straffungsoperationen die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) eingetreten ist.

Die 1970 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Wegen Adipositas per magna fand am 04.02.2015 eine Schlauchmagenoperation statt, in deren Folge es zu einem Gewichtsverlust von 57kg, von 147kg auf 90kg kam.

Am 18.05.2016 bat der Facharzt für plastische Chirurgie Dr. R. die Beklagte um Stellungnahme betreffend die Kostenübernahme für eine Bauchdeckenplastik, eine Brust- und Oberschenkelstraffung jeweils beidseits für die Klägerin. Die Maßnahmen seien medizinisch indiziert, da nach einer Schlauchmagenoperation eine generalisierte Erschlaffung des Hautweichteilmantels sowie eine ausgeprägte Hautfettschürzenbildung vorliege. Am 07.07.2016 beantragte die Klägerin förmlich den empfohlenen Eingriff bei der Beklagten.

Am 29.08.2016 beauftragte die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Erstellung eines Gutachtens (mit dem Vermerk: “Eilauftrag, da nach dem PRG bereits verfristet„) und teilte dies der Klägerin mit Schreiben vom selben Tag mit.

Im Gutachten vom 07.09.2016 führte Dr. Re. aus, der Eingriff könne nicht empfohlen werden, da die medizinischen Voraussetzungen für die Leistungen nicht erfüllt seien.

Mit Bescheid vom 12.09.2016 (Bl 11 Verwaltungsakte) lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch vom 10.10.2016 wurde mit Hinweis auf den Eintritt der Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Absatz 3a SGB V begründet.

Mit Bescheid vom 15.11.2016 verfügte die Beklagte hierauf Folgendes:

“1. Die durch Fiktion eingetretene Bewilligung der Bodylift Operation an Brust, Bauch und Oberschenkel bsd. wird aufgehoben.

2. Dem Widerspruch vom 10.10.2016 wird abgeholfen. Der Ablehnungsbescheid vom 12.09.2016 wird aufgehoben.

3. Soweit bisher Kosten im Widerspruchsverfahren entstanden sind, werden diese erstattet.

4. Im Übrigen wird die beantragte Bodylift Operation an Brust, Bauch und Oberschenkel bds. abgelehnt.„

Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Genehmigungsfiktion zwar eingetreten, aber mangels Vorliegens der materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf eine Bodylift-Operation wieder zurückgenommen werde.

Hiergegen erhob die Klägerin am 17.11.2016 mit Hinweis auf die eingetretene Genehmigungsfiktion Widerspruch.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2017 (Bl 29 Verwaltungsakte) wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Da die gesetzlichen Voraussetzungen zur Bewilligung der von der Klägerin begehrten Leistung nicht vorlägen, habe der Antrag auf Straffungsoperationen abgelehnt werden müssen.

Hiergegen hat die Klägerin am 27.03.2017 Klage zum Sozialgericht Mannheim erhoben. Sie hat ihr bisheriges Vorbringen aufrechterhalten. Anspruchsgrundlage sei § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründung des Widerspruchsbescheids Bezug genommen. Die Genehmigungsfiktion habe zurückgenommen werden müssen, da materiell-rechtlich kein Anspruch auf die Leistung bestehe.

Mit Urteil vom 06.07.2017 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 12.09.2016 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 15.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2017 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin drei vollstationäre Straffungsoperationen (Abdominalplastik, Bruststraffung beidseits, Oberschenkelstraffung beidseits) als Sachleistung zu gewähren. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten. Aufgrund des Eintritts der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V habe die Klägerin einen Anspruch auf Durchführung der begehrten Straffungsoperationen. Der Antrag der Klägerin sei hinreichend bestimmt gewesen und die Klägerin habe die begehrten Leistungen subjektiv für erforderlich halten dürfen. Die von der Beklagten auf § 45 SGB X gestützte Rücknahme der Genehmigung im Änderungsbescheid vom 15.11.2016 sei rechtswidrig gewesen, da die Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 SGB X nicht vorgelegen hätten. In Fällen an fiktiven Genehmigung habe sich deren Rechtmäßigkeit allein nach den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 Abs 3a SGB V und nicht nach den Voraussetzungen des ge...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge