Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Ermittlungspflicht des Gerichts bei beantragter Erwerbsminderungsrente - Beweislast des Antragstellers

 

Orientierungssatz

1. Bei dem Merkmal der Erwerbsminderung in der Vorschrift des § 43 SGB 6 handelt es sich um ein positives, den Anspruch begründendes Element, für das der Versicherte die objektive Feststellungslast trägt. Kann nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass eine quantitative Leistungsreduzierung besteht, so geht dies zu Lasten des Versicherten.

2. Hat das Gericht den medizinischen Sachverhalt umfassend ermittelt und sind damit die für die Leistungsbeurteilung erforderlichen medizinischen Befunde bekannt, so ist das Gericht nicht nach § 103 S. 1 SGG verpflichtet, ein weiteres Gutachten einzuholen.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 13.09.2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem beklagten Rentenversicherungsträger die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der im Jahr 1970 geborene Kläger, der den Beruf des Schlossers erlernt hat, war zuletzt als CNC-Fräser versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Oktober 2012 ist er arbeitsunfähig erkrank, seit April 2014 ist er arbeitslos und bezog deswegen von der Bundesagentur für Arbeit bis zum 05.05.2015 Arbeitslosengeld.

Vom 18.11. - 09.12.2014 durchlief der Kläger eine Rehabilitationsmaßnahme in der Rehaklinik S., D., aus der er unter den Diagnosen eines chronischen Schmerzsyndroms, chronischer Arthralgien, chronischer Bronchitis, des Verdachts auf ein Schlafapnoe-Syndrom, Hypertonie und einer rezidivierenden depressiven Störung in gegenwärtig leichter Episode als fähig entlassen worden ist, leichte körperliche Tätigkeiten in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden täglich und mehr verrichten zu können. Im Entlassungsbericht vom 09.12.2014 ist hierzu u.a. ausgeführt worden, dass eine Diskrepanz zwischen den (erhobenen) Befunden und deren subjektiver Wahrnehmung beim Kläger bestehe.

Am 17.02.2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Unter Verweis auf die anlässlich der Rehabilitationsmaßnahme gestellten Diagnosen und den hiermit einhergehenden Beschwerden gab er hierzu an, seit 2012 erwerbsgemindert zu sein. Mit seinem Antrag legte der Kläger Befundberichte der ihn behandelnden Ärzte vor. In dem daraufhin von der Beklagten veranlassten Gutachten des Orthopäden Dr. M. vom 14.09.2015 diagnostizierte dieser beim Kläger eine Polyarthralgie, eine chronische Lumbalgie links, ein HWS- und BWS-Syndrom sowie eine Hypertonie. Die Wirbelsäule sei statisch normal und funktionell altersentsprechend. Das rechte Handgelenk sei in der Beweglichkeit gemindert. Beim An- und Auskleiden sei jedoch kein Schonverhalten zu erkennen. Eine Schmerzaggravation sei unverkennbar. Sowohl im Hinblick auf das orthopädische Fachgebiet als auch im Hinblick auf eine Depression und eine chronische Bronchitis liege insg. keine Erwerbsminderung vor; der Kläger könne eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit sechs Stunden täglich und mehr verrichten.

Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 26.02.2015 ab. Die medizinischen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente lägen nicht vor.

Den hiergegen am 06.03.2015 unter der Begründung, die bestehenden Schmerzen und die seelischen Leiden bedingten eine wesentliche Leistungseinschränkung, erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2015 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 17.11.2015 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Die bei ihm bestehenden Leistungseinschränkungen, die primär auf einem komplexen psychosomatischen Beschwerdebild beruhten, seien von der Beklagten nicht hinreichend gewürdigt worden. Mit der limitierten psycho-physischen Leistungsfähigkeit gingen auch funktionelle Defizite des Bewegungs- und Haltungsapparates einher. Das Beschwerdebild führe zu einer raschen Erschöpfbarkeit, zu Antriebslosigkeit sowie zu Konzentrations- und Merkstörungen, die sich (auch) in einem sozialen Rückzugsverhalten manifestierten. Hierzu hat er u.a. einen Arztbrief der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H.-M. vom 17.11.2016 vorgelegt, wonach sich bei ihm als Reaktion auf die Schmerzen und die erheblichen Einschränkungen ein schweres depressives Syndrom ausgebildet habe.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Dr. R., Facharzt für Anästhesie und spezielle Schmerztherapie, hat unter dem 19.01.2016 ausgeführt, er erachte beim Kläger eine stufenweise Wiedereingliederung für sinngebend. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin L. hat unter dem 26.01.2016 aufgeführt, dass beim Kläger Einschränkungen der körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit bestünden, ihm jedoch leichte T...

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