Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherung. MdE. Höherbewertung. Goldschmied
Orientierungssatz
Zu den Voraussetzungen einer Höherbewertung der MdE gemäß RVO § 581 Abs 2.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten - noch - um die Gewährung von Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung über den 30.04.1993 hinaus.
Der 1948 geborene Kläger erlernte von März 1963 bis März 1966 den Beruf eines Goldschmiedes (Fachbereich Ketten) und eines Juwelengoldschmiedes. In diesem Beruf war er nachfolgend zunächst bis Juli 1973 - unterbrochen durch seinen Wehrdienst - tätig. Zwischen Juli 1973 und September 1975 arbeitete er als Entwicklungstechniker im Bereich Schmuck, Uhren und Armbänder. Nebenbei besuchte er die Meisterschule und legte am 02.05.1974 die Meisterprüfung im Goldschmiedehandwerk ab. Von Oktober 1975 bis März 1980 war der Kläger sodann als Modellgoldschmied abhängig beschäftigt. Zwischen Mai 1980 und Januar 1990 war er als selbständiger Goldschmiedemeister tätig. Danach übernahm die Firma K L (Firma L.), das Unternehmen. Der Kläger ist dort seit dem 01.07.1990 als Goldschmiedemeister mit der Anfertigung von Modellen zur Herstellung von Juwelenschmuck abhängig beschäftigt. Seine wöchentliche Arbeitszeit beläuft sich seither auf 25 Stunden.
Am 21.01.1990 erlitt der Kläger bei einer privaten tätlichen Auseinandersetzung u.a. eine Trümmerfraktur des 1. und 2. rechten Mittelhandknochens (vgl. Befundbericht des Chirurgen Dr. S vom 07.11.1990). Diese Verletzung führte zu einer bleibenden Bewegungseinschränkung des rechten Daumens im Sattel- und Grundgelenk und zu einer Verminderung der Handspanne zwischen dem rechten Daumen und Zeigefinger (vgl. Gutachten der Chirurgen Dr. S vom 23.03.1994 und Dr. S vom 22.01.1996).
Am 28.12.1991 erlitt der Kläger bei einem Arbeitsunfall eine Kreissägenverletzung des Mittelgelenks des linken Zeigefingers mit vollständiger Zerstörung der Basis des Mittelgelenks und Zertrümmerung des Köpfchens des Grundgelenks (vgl. Operationsbericht der Chirurgischen Abteilung des Krankenhauses S vom 31.12.1991). Nach Beendigung einer von der Beklagten geförderten Belastungserprobung ab dem 05.08.1992 war der Kläger ab dem 02.11.1992 wieder arbeitsfähig.
Zur Feststellung von Art und Ausmaß der Unfallfolgen (Uf) sowie des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ließ die Beklagte den Kläger durch Dr. S untersuchen und begutachten (Gutachten vom 08.03.1993). Unter Berücksichtigung weiterer medizinischer Unterlagen, u.a. des für das Arbeitsamt P erstellten Gutachtens der Ärztin Dr. T vom 22.09.1992, führte Dr. S zusammenfassend aus, der Kläger leide an einer reizlos abgeheilten subtotalen Amputationsverletzung des linken Zeigefingers in Höhe des Mittelgelenks mit schlechter Weichteilpolsterung im Narbenbereich dorsalseitig und fehlender Streckfähigkeit des Endgelenks bei vollständig erhaltener Sensibilität des Fingers und Durchblutungsstörungen bei kalter Witterung. Die Röntgenuntersuchung habe eine vollständig knöchern konsolidierte Arthrodese des Mittelgelenks unter Einheilung eines corticospongiösen Blockes ohne Anhalt für entzündliche Veränderungen ergeben. Die unfallbedingte MdE bewerte er für die Zeit vom 02.11.1992 bis zum 02.02.1993 mit 20 v.H., danach bis zum 03.03.1993 mit 10 v.H. sowie auf Dauer mit 0 v.H.. Ferner ließ die Beklagte den Kläger durch den Orthopäden Dr. S untersuchen und begutachten (Gutachten vom 05.04.1993). Dr. S diagnostizierte als unfallbedingte Gesundheitsstörungen "ausgedehnt ungünstige Narbenverhältnisse am Zeigefinger, Verkürzung des linken Zeigefingers und Versteifung im Mittelgelenk, weitgehender Verlust der Beweglichkeit im Endgelenk"; die hierdurch bedingte MdE bewerte er ab dem 02.11.1992 mit 10 v.H.. Gestützt auf das Ermittlungsergebnis lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente ab mit der Begründung, der Arbeitsunfall habe nach dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit keine MdE in rentenberechtigendem Grad hinterlassen (Bescheid vom 26.04.1993).
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, zu dessen Begründung er im wesentlichen vortrug, wegen seiner unfallunabhängigen Verletzung an der rechten Hand sei er bei Ausübung seines Berufes auf eine funktionsfähige linke Hand angewiesen; als Folge des Arbeitsunfalls könne er seine Tätigkeit als Goldschmiedemeister nicht mehr wettbewerbsfähig ausüben. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück: Die MdE im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung richte sich nicht nach dem Umfang der nach dem Unfall verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten im erlernten Beruf oder in der vor dem Arbeitsunfall ausgeübten Tätigkeit, sondern nach den auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens verbliebenen Möglichkeiten; unter Berücksichtigung dieser Grundsätze betrage die unfallbedingte MdE ab dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit 10 v.H., weswegen Verletztenrente nicht zu gewähren sei (Widerspruchsbescheid vom 16.07.1993).
Deswegen erhob der Kläger am 03.08.1993 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Zur Begründung trug er im wesentl...