Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufskrankheit. arbeitstechnische Voraussetzung. Quasi-Berufskrankheit. keine ausreichenden epidemiologischen Erkenntnisse. keine Gruppentypik. Hypothenar-Hammer-Syndrom. Kfz-Mechaniker
Orientierungssatz
Zur Nichtanerkennung eines Hypothenar-Hammer-Syndroms (HHS) eines selbständigen Kfz-Mechanikers weder als Berufskrankheit gem BKV Anl Nr 2104 noch als Quasi-Berufskrankheit gem § 9 Abs 2 SGB 7.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Anerkennung und Entschädigung von Durchblutungsstörungen der rechten Hand (Hypothenar-Hammer-Syndrom) wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII).
Der ... 1949 geborene Kläger absolvierte von April 1966 bis September 1969 eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker im elterlichen Betrieb, wo er nach dem Wehrdienst (von Oktober 1969 bis März 1971) im erlernten Beruf arbeitete. Im Januar 1984 hat er den Betrieb übernommen und ist seitdem als selbständiger Kfz-Mechaniker tätig.
Unter dem 13. März 1997 erstattete der Chirurg Dr. H eine Berufskrankheitanzeige. Der Kläger leide (wie aus beigefügten Arztunterlagen hervorgehe) an einem sekundären Raynaud-Phänomen der Finger II bis V der rechten Hand. Es bestehe der Verdacht auf ein Hypothenar-Hammer-Syndrom. Die Beschwerden könnten auf das Festdrücken und Festschlagen von Autoscheiben mit der Faust und der ulnaren Handkante zurückzuführen sein.
Im Feststellungsverfahren befragte die Beklagte den Kläger, holte Arztberichte und Stellungnahmen ihres Technischen Aufsichtsdienstes ein und erhob die Gutachten des Chirurgen Prof. Dr. H mit Dr. S) vom 26. Mai 1998 und des Arbeits- und Sozialmediziners Prof. Dr. D vom 16. September 1998.
Der Kläger gab an, die Beschwerden seien erstmals im Sommer 1995 beim Schwimmen und sodann im Winter bei der Arbeit aufgetreten. Dr. H teilte unter dem 29. Juli 1997 mit, der Kläger leide nach seinen Angaben unter einer Durchblutungsstörung der rechten Hand, wobei die Finger zunächst weiß, anschließend bläulich verfärbt seien, insbesondere bei Kälte. Angiographisch habe man im Kreiskrankenhaus A einen eindeutig pathologischen Gefäßbefund festgestellt.
Im Bericht des Technischen Aufsichtsdienstes vom 13. Oktober 1997 heißt es, der Kläger habe nach seinen Angaben während seiner gesamten Berufstätigkeit (u.a.) etwa 1 Stunde pro Woche Autoscheiben montiert, die durch Schläge der rechten Hand mit Handballen, Handinnenfläche und Faust in die Gummidichtung hätten eingetrieben werden müssen. An 1 bis 1,5 Stunden täglich habe er Arbeiten mit dem Schlagschrauber sowie etwa während 0,75 bis 1 Stunde täglich Arbeiten mit Pressluftmeißeln ausgeführt. Ausbeularbeiten mit dem Handhammer seien etwa 1 Stunde pro Tag verrichtet worden. Im Übrigen sei der Kläger wegen der Größe des Betriebs mit etwa 10 Beschäftigten voll in den Werkstattablauf einbezogen gewesen, und er habe alle manuellen Arbeiten mit Handwerkszeug, wie z.B. Schraubendreher, Schraubenschlüssel, Schweißgerät, ausgeführt.
Prof. Dr. H führte aus, es sei schwierig, die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2104 der Anlage zur BKV nachzuweisen; die vom Technischen Aufsichtsdienst festgestellte Exposition (1 Stunde pro Woche) erscheine für das Entstehen einer Berufskrankheit nicht ausreichend. Andererseits sei eine tägliche Arbeit von 1 Stunde Dauer mit Pressluftmeißeln geeignet, vibrationsbedingte Schäden hervorzurufen. Hinsichtlich der anamnestisch vorliegenden sekundären Raynaud-Symptomatik mit angiographisch nachgewiesenen Gefäßabbrüchen (u.a.) im Bereich des Hohlhandbogens könne man insgesamt mit Wahrscheinlichkeit eine Berufserkrankung annehmen, nachdem die behandelnden Ärzte differenzialdiagnostisch Erkrankungen wie Kollagenosen, Nikotinabusus u.a. ausgeschlossen hätten. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei allerdings nicht gemindert, weil es an einer funktionellen Beeinträchtigung der Hand fehle. Freilich müsse man von Vibrations- und Stoßbelastung abraten. Auch Kälteexposition müsse der Kläger vermeiden. Mit diesen Einschränkungen könne er seinen Beruf weiter ausüben.
Prof. Dr. D legte dar, die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2104 der Anlage zur BKV seien nicht erfüllt. Mit Blick auf den maßgeblichen Richtwert (VDI-Richtlinie 2057 KHr = 16,2) könne man eine gefährdende Tätigkeit bei der Arbeit mit Schlagschraubern nicht annehmen, nachdem der Kläger (äußerstenfalls) einer maximalen Beurteilungsschwingstärke von KHr = 9,9 ausgesetzt gewesen sei. Tätigkeiten mit Pressluftmeißeln kämen für die in Rede stehende Berufskrankheit nicht in Betracht. Die festgestellten Gesundheitsschäden entsprächen im Wesentlichen auch nicht dem zu erwartenden medizinischen Bild. Der Kläger leide vielmehr an einem Hypothenar-Hammer-Syndrom (traumatisch verursachte Durchblutungsstörungen), das wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII zu entschädigen sei. Insoweit wiesen einige Autoren (Marshall und von Bilderling, 1984) darauf hin, de...