Der Fall: Helikopterlärm als berufsbedingter Hörschaden?
Geklagt hatte ein 54-jähriger Mann, der für einen Offshore-Helikopterservice in Ostfriesland gearbeitet hatte. Im Laufe seines Berufslebens war er bei verschiedenen Arbeitgebern als Kfz-Mechaniker, Filmvorführer und Bauarbeiter tätig. 2016 und 2017 arbeitete er für den Helikopterservice als Bodenabfertiger. Als bei ihm ein starker Tinnitus auftrat, äußerte sein behandelnder HNO-Arzt gegenüber der Berufsgenossenschaft den Verdacht auf eine Berufskrankheit. Er führte dazu aus, dass der Mann in den ersten Monaten seiner Arbeit nur mit unzureichendem Gehörschutz versorgt gewesen sei.
Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung ab. Die arbeitstechnischen und medizinischen Voraussetzungen seien nicht gegeben, da der errechnete Lärmpegel nicht hoch genug gewesen sei. Die beruflichen Belastungen seien nicht ausreichend, um eine Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit zu verursachen. Demgegenüber meinte der Mann, dass er erheblichem Dauerlärm ausgesetzt gewesen sei. Seine Hörbeschwerden seien erstmalig bei dem Helikopterservice aufgetreten. Davor habe er keine Beeinträchtigungen gehabt.
Das Sozialgericht (Entscheidung vom 1.4.2020, Az. S 3 U 35/18) wies die Klage ab.
LSG: Dauer der Tätigkeit war nicht ausreichend
Das LSG hat die Berufung nach Einholung mehrerer Gutachten und Vornahme einer Lärmmessung am Arbeitsplatz zurückgewiesen (Urteil vom 20.01.2022, Az. L 14 U 107/20). Die Werte der Messung reichten für die Anerkennung einer Berufskrankheit nicht aus. Hierzu habe sich das Gericht auf die fachmedizinischen "Königsteiner Empfehlungen" gestützt, wonach sich eine Lärmschwerhörigkeit nur bei einer hohen und langen Dauerbelastung (mehrere Jahre/Jahrzehnte ≥ 85 db(A)) entwickeln könne. Zwar habe der Lärmpegel am Arbeitsplatz des Mannes etwa 90 db (A) betragen, jedoch habe die Belastung nur 14 Monate gedauert und er habe in dieser Zeit Gehörschutz getragen. Außerdem erreichten auch Einzel-Schallspitzen nicht den Grenzwert von 150-165 db (C).
Wichtig für die Praxis
Die sog. „Königssteiner Empfehlungen“ sind die zentralen Vorgaben der DGUV für die Ermittlungen, die anzustellen sind, wenn es um berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit geht. Diese liegen seit Ende 2020 bereits in 6. Auflage vor.