Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Syndikusrechtsanwalt. rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht. Zahlung von Mindestbeiträgen
Orientierungssatz
Auch die nach § 13 Abs 1 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg vorgesehenen besonderen Beiträge iHv 30 von Hundert des Regelpflichtbeitrags sind einkommensbezogene Pflichtbeiträge iS von § 231 Abs 4b SGB 6 (vgl BVerfG vom 19.7.2016 - 1 BvR 2584/14 = juris RdNr 16).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Mai 2018 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die rückwirkende Befreiung des Klägers von der Rentenversicherungspflicht.
Der Kläger war seit dem 10. Februar 2009 als Rechtsanwalt zugelassen und Mitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg. Mit Bescheid der Beklagten vom 12. März 2009 wurde er ab Beginn der Tätigkeit (12. Januar 2009) von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit.
Ab 1. Januar 2014 war der Kläger als Syndikusrechtsanwalt bei der M. GmbH beschäftigt. Am 26. März 2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Mit Bescheid vom 26. August 2014 lehnte die Beklagte die Befreiung ab, da es sich bei der Tätigkeit des Klägers um keine berufsspezifische (anwaltliche) Tätigkeit handele. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 9. September 2014 Widerspruch ein. Das Widerspruchsverfahren wurde zurückgestellt.
Am 31. März 2016 beantragte der Kläger bei der Beklagten aufgrund der mittlerweile eingetretenen Rechtsänderung die rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht und die Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge. Mit Bescheid vom 7. Dezember 2016 ließ die Rechtsanwaltskammer Freiburg den Kläger als Syndikusrechtsanwalt für seine Tätigkeit bei der Firma M. GmbH zu. Der Kläger hat die Urkunde am 8. Dezember 2016 erhalten. Mit Bescheid vom 2. Januar 2017 wurde der Kläger daraufhin ab dem 8. Dezember 2016 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Mit Bescheid vom 27. Februar 2017 befreite die Beklagte den Kläger rückwirkend vom 1. April 2014 bis zum 7. Dezember 2016 für seine Tätigkeit bei der Firma M. GmbH von der Rentenversicherungspflicht. Mit weiterem Bescheid vom 27. Februar 2017 lehnte die Beklagte die rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht und Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis 31. März 2014 ab. Der Kläger habe keine einkommensbezogenen Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt.
Am 22. März 2017 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch. Er habe Mindestbeiträge i.H.v. 30 % des Regelpflichtbeitrages geleistet. Dabei handele es sich auch um einkommensbezogene Pflichtbeiträge im Sinne des § 231 Abs. 4b SGB VI. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2017 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Mindestbeiträge, die keinen unmittelbaren Bezug zum Einkommen hätten, sondern sich pauschal als prozentualer Anteil des auf Grundlage des Höchstbetrages zur gesetzlichen Rentenversicherung ermittelten Regelbetrages ergeben, seien keine einkommensbezogenen Pflichtbeiträge.
Daraufhin hat der Kläger am 23. Oktober 2017 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seiner Entscheidung vom 19. Juli 2016 (1 BvR 2584/14, juris) überzeugend die Rechtsauffassung vertreten, dass es sich bei den Mindestbeiträgen um einkommensbezogene Pflichtbeiträge handele. Die Beklagte hat vorgetragen, dass es sich bei den Beschlüssen des BVerfG nicht um materiell-rechtliche Entscheidungen gehandelt habe. § 231 Abs. 4b S. 4 SGB VI knüpfe an den Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI an, welcher ebenfalls die Zahlung einkommensbezogener Pflichtbeiträge erfordere. Dazu zählten unbestritten nicht Mindestbeiträge, die keinen unmittelbaren Bezug zum Einkommen hätten. Das SG hat mit Urteil vom 29. Mai 2018 den Bescheid vom 27. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2017 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 1. Januar 2014 bis 31. März 2014 zu befreien. Die Befreiung wirke auch für Zeiten vor dem 1. April 2014, hier ab dem 1. Januar 2014, da die vom Kläger gezahlten besonderen Beiträge einkommensbezogene Pflichtbeiträge im Sinne des § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI darstellten. Dies habe auch das BVerfG ausgeführt (BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 2016,1 BvR 2584/14, juris Rdnr. 16).
Gegen das der Beklagten am 8. Juni 2018 zugestellte Urteil hat sie am 26. Juni 2018 Berufung eingelegt. Sie hat ihre Auffassung aufrecht erhalten und ihre Begründung vertieft.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Mai 2018 aufzuheben und d...