Entscheidungsstichwort (Thema)

Soldatenversorgung. Dienstbeschädigungsausgleich für ehemalige Soldaten der Nationalen Volksarmee. Radarfunker. Nierenkarzinom. ursächlicher Zusammenhang. Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit. Versorgungsmedizinische Grundsätze. Bericht der Radarkommission kein antizipiertes Sachverständigengutachten. Nachweis einer ausreichenden Strahlenexposition und einer qualifizierten Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die in den AHP enthaltenen Erläuterungen zur Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitszuständen (Nr 53 bis 143 AHP) sind weiter zu berücksichtigen, da die VG insoweit keine Regelungen getroffen haben.

2. Der Bericht der Radarkommission ist nicht als antizipiertes Sachverständigengutachten zu berücksichtigen, da er nur aufgrund eines akuten Handlungsbedarfs erstellt und nicht den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst wurde, so dass er auf Schlüssigkeit zu überprüfen ist.

3. Ein Nierenzellkarzinom kann durch eine ionisierende Strahlung idR nicht verursacht werden, es zählt nicht zu den qualifizierten Erkrankungen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Januar 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung von Gesundheitsstörungen im Rahmen der Beschädigtenversorgung streitig.

Der 1969 geborene Kläger, der bis 1999 Diplom-Ökonomie studierte und seitdem als Controller, zuletzt in einen Pharmaunternehmen berufstätig ist, beantragte mit Schreiben vom 16.02.2004 Dienstbeschädigungsausgleich wegen einer 2003 diagnostizierten Nierenkrebserkrankung, die er auf eine Schädigung durch Radarstrahlung zurückführte. Nach dem von ihm vorgelegten Dienstausweis war er als Funkorter in einer mobilen Radarstation Mitglied der Nationalen Volksarmee (NVA) der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und in den Dienststellen Z. vom 01.09.1988 bis zum 17.02.1989 (Unteroffizierslehrgang), E. vom 17.02.1989 bis zum 19.08.1989 und Z. vom 19.08.1989 bis zum 24.08.1990 eingesetzt.

Der Kläger gab an, als (Ober-)Funkorter vom 17.02.1989 bis zum 24.08.1990 in der mobilen Aufklärungs-Leitstation (ALS) 1 S 91 verwendet gewesen zu sein und auch Instandsetzungs- und Kontrollarbeiten durchgeführt zu haben. Die ALS 1 S 91 bestand aus mehreren funktionalen Einheiten, wobei sich der Arbeitsplatz des Funkorters im Kampfraum rechts befand und die Sendeanlagen der einzelnen Radaranlagen im Radarturm waren (Bl. 64 V-Akte). Während die ALS in Gefechtsstellung gebracht worden sei, sei er mehrfach täglich bei laufendem Betrieb in geringem Abstand der Strahlung der Spiegel direkt ausgesetzt gewesen, da die ALS bereits zu diesem Zeitpunkt durch Fahrer oder Stationsleiter vorab für den Funkorter in Betrieb genommen worden sei. Ferner sei er der Strahlung bei Reparaturen an den technischen Modulen der ALS und in geschlossenen Gebäuden innerhalb eines faradayschen Käfigs bei Änderungen und Überprüfungen der Sendefrequenzen der ALS bei laufendem Betrieb der Strahlung ausgesetzt gewesen. Beim normalen Betrieb sei er nach der Herstellung der Gefechtsbereitschaft in der ALS circa 1 Meter (m) unterhalb der Antennenanlagen beziehungsweise der technischen Komponenten der Sende- und Empfangseinrichtungen tätig gewesen. Der Abstand zu den Bedienelementen beziehungsweise sonstigen technischen Einrichtungen sei aufgrund der beengten Verhältnisse und seiner Körpergröße von 2 m minimal gewesen. Das tägliche Betriebsregime habe mehrere Stunden beziehungsweise halb- oder ganztägig mit kurzen Pausen zum Austreten oder beim Stellungswechsel betragen. Die Sendeleistung schätze er auf 300 bis 500 Kilowatt (kW). Neben seiner Tätigkeit als (Ober-)Funkorter sei er aushilfsweise bei Reparaturen durch Techniker eingesetzt worden. Bei Reparaturen an den Sende- und Empfangsanlagen habe er dem Techniker durch Ausleuchten der Module, Halten der Schaltpläne und Reichen der Werkzeuge helfen müssen. Ebenso habe man dem Techniker wegen der Hochspannungseinrichtungen im Notfall durch Ausschalten der Systeme Hilfestellung leisten müssen. Wegen des Alters und der Störanfälligkeit der Anlagen sei es in unregelmäßigen Abständen zu solchen Reparaturen an geöffneten und eingeschalteten Stationen gekommen.

Der Kläger legte den vorläufigen Kurzarztbrief des Dr. K., Kreiskrankenhaus R., vom 10.11.2003 (Nierentumor rechts, Verdacht auf Nierenzellkarzinom, Verdacht auf beginnende Pyelonephritis rechts), den Operationsbericht des Prof. Dr. L., Klinik für Urologie des Klinikums der Stadt V.-Sch., vom 13.11.2003 (Nierentumor rechts, Tumornephrektomie rechts) und den Arztbrief des Dr. V., Direktor des Instituts für Pathologie des Klinikums der Stadt V.-Sch., vom 18.11.2003 (klarzelliges Karzinom der rechten Niere und Nebenniere; der Patient falle aus dem normalen Altersrahmen der Nierenkarzinome heraus) vor.

Die Wehrbereichsverwaltung Ost zog die Unterlagen d...

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