Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. keine Befreiung der Zuzahlungspflicht für bestimmte Gruppen ab 1.1.2004
Leitsatz (amtlich)
Zu den anzurechnenden Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt zählen auch die Grundleistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. August 2005 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht die Befreiung des Klägers von der Zuzahlungspflicht für das Jahr 2004 in der gesetzlichen Krankenversicherung im Streit.
Der 1966 geborene Kläger ist seit dem 14. März 2002 für die Firma 3. GmbH in Stuttgart für ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 665,00 € (netto 546,62 €) sozialversicherungspflichtig beschäftigt und insoweit bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Daneben erhält der Kläger von der Landeshauptstadt S. aufstockend Grundleistungen gemäß den §§ 1, 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Höhe von monatlich 448,25 € für sich, seine Ehefrau und seine drei Kinder (geboren 1993, 1995 und 1999). Dem liegt ein Gesamtbedarf in Höhe von 1.321,65 € zugrunde (Geldbetrag gem. § 3 Abs. 1 AsylbLG in Höhe von 143,15 DM sowie Zusatzleistungen nach § 3 Abs. 2 AsylbLG in Höhe von 718,35 € sowie Kosten der Unterkunft in Höhe von 460,15 €). Hiervon sind Einkünfte nach § 7 Abs. 2 AsylbLG in Höhe von 546,38 € (Nettoeinkünfte aus der Erwerbstätigkeit des Klägers) sowie 462,00 € Kindergeld abgezogen und auf der anderen Seite zu Gunsten des Klägers ein Freibetrag aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 134,98 € berücksichtigt worden, sodass insgesamt Einkommen in Höhe von 873,40 € abgezogen wurde und ein Anspruch auf laufende Hilfe auf 448,25 € verblieb (Bescheid der Stadt S. vom 24. März 2004).
Mit Bescheid vom 11. Februar 2004 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein gesetzlich vorgeschriebener Eigenanteil an Zuzahlungen für Arzneimittel usw. betrage 71,36 €.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, als Flüchtling sei er nicht leistungsberechtigt nach dem Sozialhilfegesetz, er halte insbesondere auch keine Hilfe zum Lebensunterhalt, sondern sei nur aus dem AsylbLG leistungsberechtigt. Diese Geldleistung sei niedriger als die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). In § 62 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) fänden sich keine Festsetzungen in Bezug auf einen Personenkreis, dem er angehöre. Im Übrigen errechne sich, wenn überhaupt bei ihm nur eine Belastungsgrenze in Höhe von 71,28 €.
Mit weiterem Bescheid vom 10. März 2004 hob die Beklagte ihren Bescheid vom 11. Februar 2004 auf und stellte nunmehr die Belastungsgrenze mit 71,28 € fest (dieser Bescheid enthält auch eine Rechtsbehelfsbelehrung).
Auch hiergegen erhob der Kläger erneut Widerspruch und wiederholte die bereits zuvor gemachten Ausführungen. Ergänzend führte er noch aus, es sei auch in jeder Beziehung unvertretbar, auch in seinem Fall von einem höheren, als dem von ihm tatsächlich erzielten “Bruttoeinkommen„ auszugehen, um auf dieser Grundlage eine Belastungsgrenze festzusetzen. Die von der Beklagten eingenommene Linie werde den Besonderheiten seines Einzelfalles in keiner Weise gerecht.
Nachdem der Kläger im Rahmen des Widerspruchsverfahrens noch Unterlagen zu seinen Einkommensverhältnissen vorgelegt hatte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2004 den Widerspruch mit der Begründung zurück, seit dem 1. Januar 2004 regele § 62 SGB V, dass alle Versicherten während jedes Kalenderjahres Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze zu leisten hätten. Diese betrügen 2 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. Die genaue Berechnung der Belastungsgrenze ergebe sich aus § 62 Abs. 2 SGB V. Nach dem gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen zählten sowohl Arbeitsentgelt als auch Grundleistungen nach dem AsylbLG zu den Einnahmen. Hiernach verfüge der Kläger zwar nach Abzug der Abschläge für seine Ehefrau und die Kinder nur über ein negatives Einkommen. Die Berechnung sah im Einzelnen wie folgt aus:
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Jährliche Bruttoeinnahmen = 12 x 665,00 EUR (monatl. Arbeitsentgelt) |
= 7 918,00 EUR |
Grundleistungen nach dem AsylbLG = 12 x 448,25 EUR |
= 5 379,00 EUR |
Gesamtbruttoeinnahmen |
= 13 359,00 EUR |
Abzüglich Abschlag (Ehegatten) im Jahr 2004 |
= ./. 4 347,00 EUR |
Abzüglich Abschlag (3 Kinder) im Jahr 2004 |
= ./. 10 944,00 EUR |
Negativeinkommen |
= - 1 932,00 EUR |
Jedoch liege der Neuausrichtung der Härtefallregelungen mit Streichung der Möglichkeit der vollständigen Befreiung der politische Wille zugrunde, dass alle volljährigen Versicherten Zuzahlungen bis zur individuellen Belastungsgrenze zu leisten hätten. Dies gelte auch für Versicherte, die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG erhalten würden. Diese Berec...