Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. Zulassungsentziehung. Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Eignung bzw Nichteignung für die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. In Rechtsstreitigkeiten über die Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit ist bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen, wenn die angegriffene Entscheidung mangels Anordnung der sofortigen Vollziehung noch keine Rechtswirkungen entfaltet, der Arzt also weiter berechtigt ist, an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen (vgl BSG vom 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 = BSGE 73, 234, 236 mwN).
2. Ein Verweis darauf, der Arzt habe durch sein Verhalten die Zulassung erschlichen, weil er zu einem späteren Zeitpunkt wegen eines fehlenden Bedarfes hätte nicht mehr zugelassen werden können, rechtfertigt es nicht, von dem allgemeinen Grundsatz abzugehen, für die Entscheidung auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Gerichts abzustellen.
3. Aus dem Merkmal des "Zurverfügungstehens im erforderlichen Maß" in § 20 Abs 1 Ärzte-ZV kann nicht abgeleitet werden, der Kassen- bzw Vertragsarzt müsse seine gesamte Arbeitskraft der vertragsärztlichen Tätigkeit widmen. Vielmehr genügt es, daß der die Zulassung anstrebende Arzt in dem Bereich der vertragsärztlichen Tätigkeit im dort üblichen Umfang für die ambulant zu behandelnden Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen zur Verfügung steht (vgl BSG vom 5.11.1997 - 6 RKa 52/97 = SozR 3-2500 § 95 Nr 16).
4. Die Vorschrift des § 20 Abs 2 Ärzte-ZV ist verfassungsgemäß und geeignet, das Grundrecht der Berufsfreiheit, welches den Anspruch eines Arztes auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung schützt, einzuschränken.
5. Die Versagung einer Zulassung nach § 21 Ärzte-ZV ist nur dann zulässig, wenn die Mängel so beschaffen sind, daß sie die Funktionsfähigkeit des Systems der vertragsärztlichen Versorgung gefährden. Dies ist dann zu bejahen, wenn durch die Art und Schwere des Verstoßes das Vertrauensverhältnis zwischen dem Arzt, der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen derart gestört ist, daß eine (weitere) Zusammenarbeit nicht mehr möglich erscheint.
6. Selbst wenn man sowohl im Verschweigen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arzt als auch im nicht ausreichende Abhalten von Sprechstunden gröbliche Verletzungen vertragsärztlicher Pflichten durch ihn sähe, rechtfertigt dies nicht die Entziehung der Zulassung.
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit.
Der 1954 geborene Kläger war vom 15.06.1983 an am Klinikum der Albert-Ludwigs-Universität F als wissenschaftlicher Angestellter, zum Zwecke der Weiterbildung zum Arzt für Anästhesie und bis zur Ernennung in das Beamtenverhältnis als Arzt beschäftigt. Mit Wirkung zum 01.04.1990 wurde unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit für die Dauer von 3 Jahren zum Akademischen Oberrat ernannt. Im Januar 1993 beantragte die Anästhesiologische Universitätsklinik die Weiterbeschäftigung des Klägers mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden für die Dauer von 3 Jahren. Mit der Urkunde vom 12.02.1993, die ihm am 08.03.1993 ausgehändigt wurde, wurde der Kläger mit Wirkung zum 01.04.1993 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit für die Dauer von 3 Jahren erneut zum Akademischen Oberrat ernannt. Eine Genehmigung der Nebentätigkeit in Form von Gutachten im Auftrag des vorgesetzten Abteilungsleiters bzw. Professors außerhalb der Dienstzeit erteilte das Klinikum dem Kläger am 01.03.1993.
Der Kläger beantragte am 29.01.1993 die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als "praktischer Arzt". In seinem Antrag gab er u.a. an, seit 01.02.1985 "bis jetzt" als wissenschaftlicher Angestellter in der Anästhesiologischen Abteilung der Universitätsklinik F beschäftigt zu sein. Die beabsichtigte Aufnahme seiner vertragsärztlichen Tätigkeit gab er mit dem 01.10.1993 an. Im Schreiben vom 25.06.1993 teilte der Kläger dem Zulassungsausschuß mit, daß er zum 01.10.1993 mit Frau Dr. G eine Gemeinschaftspraxis führen werde. Der Zulassungsausschuß forderte den Kläger auf (Schreiben vom 14.04.1993), eine Bestätigung der Universitätsklinik F zu übersenden, daß er sein derzeit bestehendes Dienst- bzw. Beschäftigungsverhältnis gekündigt habe. Dieses Schreiben blieb unbeantwortet.
Der Zulassungsausschuß für Ärzte beschloß am 03.09.1993 (Bescheid vom 21.09.1993), den Kläger mit Wirkung vom 01.10.1993 als Arzt in F zur vertragsärztlichen Tätigkeit zuzulassen und ihm und Frau Dr. G die Genehmigung zur Führung einer Gemeinschaftspraxis zu erteilen. Der Beschluß über die Zulassung enthielt die Auflage, daß gemäß § 19 Abs. 2 der Zula...