Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. keine Kostenerstattung von diätetischen Nahrungsmitteln bei Fettstoffwechselerkrankung
Leitsatz (amtlich)
Diätetische Nahrungsmittel, die ein Versicherter aufgrund der bei ihm vorliegenden Fettstoffwechselerkrankung Leucinose (Ahornsirupkrankheit) benötigt, sind weder als Arzneimittel iS von § 31 Abs 1 S 1 SGB 5 erstattungsfähig, noch handelt es sich um eine bilanzierte Diät zur enteralen Versorgung iS von § 31 Abs 5 S 1 SGB 5.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 23.3.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Übernahme der Kosten für von ihm benötigte Diätnahrungsmittel durch die Beklagte.
Der im Jahr 1988 geborene Kläger leidet an einer seltenen angeborenen Stoffwechselstörung, der so genannten Ahornsirupkrankheit (Leucinose). Bei dieser Erkrankung kommt es zu Störungen im Abbau der Aminosäuren Leucin, Iso-Leucin und Valin. Die Erkrankung bedarf einer Behandlung durch Gabe von künstlichen Aminosäuremischungen verbunden mit einer lebenslangen Diät mit verminderter Zufuhr von verzweigtkettigen Aminosäuren. Ohne Einhaltung der diätetischen Ernährung kommt es - auch im Erwachsenenalter -zu Stoffwechseldekompensationen, die sehr schnell mit erheblichen allgemeinen und neurologischen Symptomen einhergehen, wobei es sehr rasch zu lebensbedrohlichen Krisen, wie etwa Ataxien oder Bewusstseinseinschränkungen bis hin zum Koma, kommen kann. Hinzu kommt, dass der Kläger ohne die hier im Streit stehenden künstlichen Lebensmittel seinen Kalorienbedarf nicht vollständig decken kann. Nimmt er nur allgemein erhältliche Lebensmittel zur Deckung seines Kalorienbedarfes zu sich, hat dies bei der Schwere seiner Stoffwechselstörung stets zur Folge, dass die maximal tolerierte Leucinmenge mit der Folge von Vergiftungserscheinungen überschritten wird. Nach den Angaben seiner Mutter in der mündlichen Verhandlung des Senats kann er praktisch nichts essen außer Gemüse und Obst in geringen Portionen, mit denen er aber seinen Kalorienbedarf nicht vollständig decken kann.
Der Kläger ist schwerbehindert mit einem GdB von 80 und dem Merkzeichen “H„ seit dem 5.2.1999.
Der Kläger bezieht die von ihm benötigten diätetischen Lebensmittel über die Firma SHS Gesellschaft für Klinische Ernährung. Die Kosten hierfür wurden ebenso wie die Kosten für Aminosäuremischungen und Eiweißhydrolysate zunächst von der Beklagten übernommen.
Mit Schreiben vom 8.4.2004 wies die Beklagte die Mutter des Klägers darauf hin, dass beabsichtigt sei, die Kosten für die Diätnahrungsmittel, die der Kläger zur Durchführung einer eiweißreduzierten Ernährung benötige, ab dem 1.5.2004 nicht mehr zu übernehmen. Es handele sich bei diesen Diätnahrungsmitteln nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts weder um Heilmittel noch um Arzneimittel. Die dafür anfallenden Kosten könnten daher nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden, sondern fielen in den Bereich der allgemeinen Lebenshaltung und der Eigenverantwortung der Versicherten für eine gesundheitsbewusste Lebensführung.
Die Mutter des Klägers sprach daraufhin bei der Beklagten vor und machte geltend, dass sie auch weiterhin eine Kostenübernahme für die Diätnahrung ihres Sohnes beanspruchen wolle. Die eiweißarmen Nahrungsmittel gehörten ebenso wie die Aminosäurensupplementierung zur notwendigen Prävention der Erkrankung ihres Sohnes und seien damit vergleichbar dem lebensnotwendigen Insulin für Diabetiker. Die eiweißarmen Nahrungsmittel seien ausschließlich bei Spezialfirmen erhältlich, die Kosten normaler Nahrungsmittel stünden dazu im Verhältnis 1:10. Eine Abweichung von den Diätvorgaben hätte lebensbedrohliche Folgen für ihren Sohn. Eine allgemeine gesundheitsbewusste Lebensführung sei insoweit nicht ausreichend. Es gebe deshalb keine Alternative zu den diätetischen Nahrungsmitteln für ihren Sohn.
Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme für die Diätnahrungsmittel ab dem 1.5.2004 mit Bescheid vom 15.4.2004 ab. Dagegen erhob die Mutter des Klägers Widerspruch mit Schreiben vom 19.4.2004, eingegangen bei der Beklagten am 20.4.2004.
Die Beklagte holte daraufhin ein sozialmedizinisches Gutachten des MDK Baden-Württemberg zu der Frage, ob im Einzelfall eine weitere Kostenübernahme besonderer Nahrungsmittel möglich sei, ein. In seinem Gutachten vom 28.4.2004 führte Dr. B. aus, die medizinische Notwendigkeit der diätetischen Behandlung der vorliegenden Aminosäurestoffwechselstörung könne bestätigt werden. In leistungsrechtlicher Hinsicht sei die gesetzliche Krankenversicherung verpflichtet, in derartigen Fällen die Kosten für spezifische Aminosäuremischungen zu übernehmen. Die Kosten für andere Nahrungsmittel seien dagegen der Eigenbeteiligung der Versicherten zuzuordnen. Im Falle von Bedürftigkeit sei der Versicherte an das zu...