Entscheidungsstichwort (Thema)
Bundeserziehungsgeldanspruch. ausländischer Ehegatte eines türkischen Staatsangehörigen. Aufenthaltstitel. Koordinationsrecht. Assoziationsrecht. Diskriminierungsverbot
Leitsatz (amtlich)
1. Das in Art 3 Abs 1 EWGAssRBes 3/80 enthaltene Diskriminierungsverbot entfaltet unmittelbare Rechtswirkung. Hierauf kann sich auch der ausländische Ehegatte eines türkischen Staatsangehörigen berufen, der dem persönlichen und sachlichen Geltungsbereich des EWGAssRBes 3/80 unterfällt.
2. Das Diskriminierungsverbot verbietet es, die Gewährung von Bundeserziehungsgeld an türkische Arbeitnehmer oder deren Familienangehörige von zusätzlichen oder strengeren Voraussetzungen abhängig zu machen, als sie für deutsche Staatsangehörige gelten. Türkische Arbeitnehmer oder deren Familienangehörige können vielmehr - unabhängig von ihrem ausländerrechtlichen Status - Bundeserziehungsgeld unter denselben Voraussetzungen wie deutsche Staatsangehörige beanspruchen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Bundeserziehungsgeld (Erzg) für die Zeit vom 01.03. bis zum 19.11.1997.
Die 1976 geborene Klägerin besitzt die rumänische Staatsangehörigkeit. Sie ist die Mutter der am 03.02.1997 geborenen G. S.. Am 27.02.1997 stellte sie bei der Beklagten den Antrag, ihr für das erste Lebensjahr ihrer Tochter Erzg zu gewähren. Dabei legte sie neben Einkommensnachweisen ihres Ehemanns, der die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, eine Bescheinigung der Stadt H. - Einwohneramt, Ausländerbehörde - vom 14.02.1997 vor, derzufolge sie eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt habe, weshalb ihr Aufenthalt im Bundesgebiet bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt gelte. Auf Anfrage der Beklagten teilte die Klägerin ergänzend mit, die Ausstellung der Aufenthaltserlaubnis könne bis zu 1 1/2 Jahren dauern, da sie die türkische Staatsbürgerschaft erst beantragt habe. Die Ausländerbehörde der Stadt H. bestätigte auf telefonische Nachfrage der Beklagten, die Klägerin sei lediglich im Besitz einer Aufenthaltsgestattung. Durch Bescheid vom 02.04.1997 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die Klägerin sei nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung; die Aufenthaltsgestattung begründe keinen Anspruch auf Erzg.
Nachdem die Klägerin am 20.11.1997 eine zunächst bis zum 10.04.1999 befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten hatte, nahm die Beklagte den Bescheid vom 02.04.1997 zurück und gewährte der Klägerin Erzg ab dem 20.11.1997 bis zum Ablauf des 12. Lebensmonats des Kindes (Bescheid vom 03.12.1997). Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin im wesentlichen vor, sie habe nach ihrer Heirat einen türkischen Reisepaß beantragt, bislang jedoch noch nicht erhalten. Außerdem habe sie beim rumänischen Konsulat einen Paß beantragt und diesen auch bekommen. Es könne nicht zu ihren Lasten gehen, wenn die Behörden trotz Nachfragen sehr langsam arbeiteten. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück: Die Voraussetzung für die Gewährung von Erzg erfülle nur, wer formal im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung sei. Die Aufenthaltserlaubnis wirke nicht vor den Tag der Ausstellung zurück. Dem Besitz der Aufenthaltserlaubnis komme Tatbestandswirkung zu. Eine Aufenthaltsgestattung stehe einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung nicht gleich. Eine Aufenthaltserlaubnis besitze die Klägerin erst seit dem 20.11.1997. Der geltend gemachte Anspruch stehe auch nicht im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu, da sich die Beklagte eine eventuell verzögerte Entscheidung der Ausländerbehörde nicht zurechnen lassen müsse (Widerspruchsbescheid vom 30.06.1998).
Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG). Zur Begründung trug sie im wesentlichen vor, ihr Ehemann sei im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis; er sei Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland und verdiene genügend Geld, um eine Familie zu ernähren. Mithin seien bei ihm die Voraussetzungen eines jederzeitigen Ehegattennachzugs (§ 18 des Ausländergesetzes - AuslG -) erfüllt. Da sie - die Klägerin - bereits zur Zeit der Antragstellung sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erfüllt habe, finde § 1 Abs. 1 des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) keine Anwendung, vielmehr bestehe der Anspruch auf Erzg nach Maßgabe der EWG-Verordnung 1408/71; aufgrund der Vereinbarung zwischen der EWG und der Türkei entsprechend dem Assoziationsratsbeschluß (ARB) Nr. 1/80 unterfalle sie dem persönlichen Geltungsbereich der genannten Verordnung. Nach Art. 3 sei sie als Staatsangehörige der Bundesrepublik Deutschland zu behandeln.
Die Beklagte trat dem Klagebegehren mit der Begründung entgegen, auch das Assoziationsratsabkommen zwischen der EWG und der Türkei i.V.m. dem ARB Nr. 3/80 lasse hier einen Anspruch auf Erzg nicht zu, denn der Beschluß sei nach der Rechtsprechung des ...