Entscheidungsstichwort (Thema)
Erziehungsgeldanspruch. türkische Staatsangehörige. Aufenthaltsstatus. Flüchtling. Arbeitnehmer. EWGAssRBes 3/80. Diskriminierungsverbot
Orientierungssatz
1. Zum Erziehungsgeldanspruch einer als Flüchtling in die Bundesrepublik Deutschland eingereisten türkischen Staatsangehörigen gem Art 3 Abs 1 EWGAssRBes 3/80.
2. Art 24 FlüAbk läßt bei Sozialleistungen, die - wie das Erziehungsgeld - ausschließlich aus Steuermitteln finanziert werden und nicht zum Bereich der von Art 23 FlüAbk erfaßten Sozialhilfe gehören, "besondere Bestimmungen des nationalen Rechts" unberührt. Art 24 FlüAbk gewährleistet mithin keinen vom Erfordernis eines der in § 1 Abs 1a S 1 BErzGG genannten Aufenthaltstitel unabhängigen Anspruch auf Erziehungsgeld (vgl BSG vom 24.3.1992 - 14b/4 REg 23/91 = SozR 3-7833 § 1 Nr 7 = BSGE 70, 197, BSG vom 9.9.1992 - 14b/4 REg 16/91 = SozR 3-7833 § 1 Nr 10).
3. Der Begriff des Arbeitnehmers iS des EWGAssRBes 3/80 ist nicht - wie in Art 48 EG und in der EWGV 1612/68 - arbeitsrechtlicher, sondern sozialrechtlicher Natur, denn es wird allein darauf abgestellt, ob der Betroffene nach dem jeweils nationalen Recht von den Systemen der sozialen Sicherheit erfaßt wird.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Bundeserziehungsgeld (ErzG) für die Zeit vom 26.03.1998 bis zum 25.03.1999.
Die ....1964 geborene Klägerin besitzt die türkische Staatsangehörigkeit. Sie ist die Mutter der ....1997 geborenen D C. Sie ist seit 1987 verheiratet und kam -- eigenen Angaben zufolge -- 1991 zusammen mit ihrem türkischen Ehemann und weiteren gemeinsamen Kindern als Flüchtling in die Bundesrepublik Deutschland. Das Landratsamt E, P, bzw. die Stadt P stellten ihr und ihrem Ehemann zuletzt für die Zeit vom 24.11.1997 bis zum 26.11.2001 jeweils befristete Aufenthaltsbefugnisse aus.
Den Antrag der Klägerin vom 26.11.1997, ihr ErzG für das erste Lebensjahr der Tochter D zu gewähren, lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, die Klägerin sei weder im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis noch einer Aufenthaltsberechtigung (Bescheid vom 19.12.1997). Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Am 26.03.1998 beantragte die Klägerin ErzG für das zweite Lebensjahr ihrer Tochter D, was die Beklagte unter Hinweis auf die fehlende Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung erneut ablehnte (Bescheid vom 03.04.1998).
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, als Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention genieße sie Inländerstatus. Sie habe deshalb Anspruch auf ErzG. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück: Allein der Ehemann der Klägerin sei als Flüchtling anerkannt. Selbst als Flüchtling habe die Klägerin jedoch keinen Anspruch auf ErzG. Nach den Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) sei der aufnehmende Staat nur zur Gewährung des Lebensnotwendigen an Flüchtlinge verpflichtet. Hierzu zählten zwar Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), nicht jedoch das ErzG. Auch verpflichte die GFK die Vertragsstaaten nicht zur Gleichstellung von Flüchtlingen mit Deutschen, soweit es -- wie beim ErzG -- um die Gewährung von allein aus Steuermitteln finanzierten Sozialleistungen gehen. Ansprüche aus der EG-Verordnung Nr. 1408/71 bestünden ebenfalls nicht, weil diese Verordnung keine Anwendung auf rein innerstaatliche Fälle ohne EG-Auslandsbezug finde. Zudem verpflichte diese Verordnung die Mitgliedsstaaten lediglich zur Gewährung von Sozialleistungen im Rahmen der nationalen Gesetze. Schließlich stehe der Klägerin auch ein Anspruch aufgrund des zwischen der EWG und der Republik Türkei geschlossenen Assoziationsabkommens i.V. mit dem Assoziationsratsbeschluß (ARB) Nr. 3/80 nicht zu (Widerspruchsbescheid vom 23.07.1998).
Die deswegen zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage blieb erfolglos (Gerichtsbescheid vom 15.12.1998, dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 04.01.1999 zugestellt).
Hiergegen richtet sich die am 01.02.1999 eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Zu dessen Stützung legt sie den Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Berlin, (BfA) vom 16.03.2001 vor, demzufolge u.a. wegen der Erziehung der Tochter D die Zeit vom 01.04.1997 bis zum 31.03.2000 als Kindererziehungszeit sowie die Zeitspanne vom 26.03.1997 bis zum 30.11.2000 als Berücksichtigungszeit anerkannt sind.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Dezember 1998 sowie den Bescheid vom 03. April 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 26. März 1998 bis zum 25. März 1999 Erziehungsgeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Sie erachtet den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Zur Begründung trägt sie vor, zwar unterfielen Flüchtlinge dem persönlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71; die genannte Verordnung stelle jedoch auf die Ausübun...