Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Antrag auf Anhörung eines bestimmten Arztes. Ablehnung bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten. Vereitelung eines von Amts wegen beauftragten Sachverständigengutachtens

 

Leitsatz (amtlich)

Der Antrag nach § 109 SGG kann als rechtsmissbräuchlich abgelehnt werden, wenn die Einholung eines von Amts wegen in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens vom Antragsteller/in vereitelt worden ist. Die Auswahl des Sachverständigen bei Ermittlungen von Amts wegen obliegt dem Gericht und kann durch § 109 SGG nicht unterlaufen werden.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 13.03.2019; Aktenzeichen B 5 R 22/19 B)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers vom 13.12.2018 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 30.05.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zusteht.

Der 1966 geborene Kläger schloss im Mai 1986 erfolgreich eine Berufsausbildung zum Maurer ab (Gesellenprüfungszeugnis vom 31.05.1986). Im Mai 2012 schloss der Kläger an der Fachschule für Technik des Berufsausbildungswerkes H. eine weitere Ausbildung (im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch die Arge R. , Bescheid vom 03.05.2010) mit der Berufsbezeichnung Staatlich geprüfter Techniker der Fachrichtung Gebäudesystemtechnik ab (Urkunde des Regierungspräsidiums K. vom 02.05.2012). Seit August 2015 bezieht der Kläger Arbeitslosengeld II. Beim Kläger ist ein Grad der Behinderung mit 50 festgestellt (Ausweis des Landratsamtes R. vom 17.03.2009).

Am 16.09.2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung. Er machte zur Begründung eine Alkoholerkrankung, eine chronische Pankreatitis seit 2001, Depressionen und Angststörungen seit 2008 und ein starkes Rauschen in den Ohren geltend.

Die Beklagte nahm medizinische Unterlagen zu den Akten (Berichte Dr. F. vom 09.10.2008, 20.10.2013 und 29.10.2015, Diagnosen: rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode, soziale Phobien, Abhängigkeitssyndrom bei Alkoholgebrauch; S.-Klinik vom 21.07.2009, Diagnosen insbesondere: Schwere depressive Episode, soziale Phobie, Alkoholabhängigkeit, abstinent, chronische Pankreatitis, Epicondylitis humeri, Fußschmerzen, Reizdarmsymptomatik; Dres. K. vom 30.09.2009; Sozialmedizinisches Zentrum K.; Dr. L. vom 02.02.2016, Beurteilung: Unauffälliges EKG, Verdacht auf peripankreatische Verkalkungszone, fehlende Gallenblase, sonst unauffälliger sonographischer Oberbauchstatus).

Außerdem holte die Beklagte das Gutachten der Fachärztin für Psychosomatische Medizin, Psychotherapie, Laboratoriumsmedizin und Sozialmedizin Dr. D. vom 05.02.2016 ein. Dr. D. diagnostizierte soziale Ängste mit resultierenden Funktionseinschränkungen im Interaktions- und Kontaktverhalten, eine Dysthymia, eine rezidivierende depressive Störung gegenwärtig remittiert, ein Alkoholabhängigkeitssyndrom - seit März 2008 abstinent -, laborchemisch keine Hinweise auf einen Alkoholkonsum, einen multiplen Gebrauch psychotroper Substanzen 2005/2006, seit dem abstinent, laborchemisch aktuell unauffälliges Drogenscreening, rechtsseitige Knieschmerzen, belastungsabhängige Fußschmerzen ohne wesentliche Bewegungs- oder Funktionseinschränkungen sowie eine angegebene Reizdarmsymptomatik in der Frequenz von einmal im Monat unter Stressbelastung. Dr. D. gelangte zu der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung, dass der Kläger leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit qualitativen Einschränkungen der Arbeitshaltung und Arbeitsorganisation sowie der geistigen/psychischen Belastbarkeit sechs Stunden und mehr verrichten könne. Dieser Leistungsbewertung stimmte der Prüfarzt Dr. S. in seiner Stellungnahme vom 18.02.2016 zu.

Mit Bescheid vom 23.02.2016 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung ab, da die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

Hiergegen legte der Kläger am 22.03.2016 Widerspruch ein. Er machte zur Begründung geltend, die vorgenommene Einschätzung seiner Leistungsfähigkeit sei falsch. Es sei ihm nicht möglich, eine arbeitstüchtige Leistung zu erbringen, weil er die Anforderungen an Aufmerksamkeit, Konzentration, Konfliktfähigkeit, Antrieb und sozialer Kompetenz, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt deutlich höher und komplexer als bei einem Untersuchungstermin seien, nicht erfüllen könne, um die dauerhaft geforderte Leistungsfähigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes physisch und psychisch zu erbringen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2016 wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 23.02.2016 zurückgewiesen.

Am 10.11.2016 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Er machte im Verlauf des Klageverfahrens zur Begründung gelten, er könne sich aus dem Teu...

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