Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Bemessungsentgelt. Leistungsentgelt. gewöhnlich anfallende gesetzliche Abzüge. Kirchensteuer. Konfessionslosigkeit. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Die Berücksichtigung des Kirchensteuer-Hebesatzes bei der Bestimmung der Leistungsentgelte nach § 136 Abs 2 S 2 Nr 2 SGB 3 ist auch für das Jahr 2001 verfassungsgemäß (vgl BSG vom 25.6.2002 - B 11 AL 55/01 R = SozR 3-4300 § 136 Nr 1).
Tatbestand
Der Kläger begehrt Arbeitslosengeld ohne Abzug der pauschalierten Kirchensteuer beim Leistungsentgelt.
Das Arbeitsamt Reutlingen (AA) bewilligte dem Kläger ab 8.3.2001 Arbeitslosengeld, zunächst in Höhe von DM 425,25 wöchentlich (Bemessungsentgelt DM 1.220,00; Leistungssatz 60%; Leistungsgruppe A; Kindermerkmal 0; Leistungstabelle 2001; Anspruchsdauer 180 Tage; Bescheid vom 11.5.2001), das bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 3.9.2001 gezahlt wurde. Ab 4.9.2001 bewilligte das AA dem Kläger Arbeitslosenhilfe.
Der Kläger erhob gegen den Bescheid vom 11.5.2001 Widerspruch, mit dem er die Erhöhung des Arbeitslosengeldes wegen einmal gezahlten Arbeitsentgelts und, da er nicht Mitglied einer Kirche oder Sekte sei, die Auszahlung der Kirchensteuer begehrte. Den Widerspruch des Klägers wies die Widerspruchsstelle des AA zurück (Widerspruchsbescheid vom 10.10.2001) mit der Begründung, es sei unerheblich, ob der Kläger einer Kirche angehöre oder nicht. Es seien die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallenden pauschalen Entgeltabzüge zugrunde zu legen. Nach der Rechtsbehelfsbelehrung wies die Widerspruchsstelle darauf hin, dass auf Grund des Überprüfungsantrages wegen Urlaubsgeld und Weihnachtszuwendung eine Nachzahlung in Höhe von DM 61,20 für den Zeitraum vom 8.3.2001 bis 3.9.2001 erfolgt sei.
Mit dem Bescheid vom 18.10.2001 bewilligte das AA Arbeitslosengeld für die Zeit vom 8.3.2001 bis 3.9.2001 in Höhe von DM 427,63 wöchentlich (Bemessungsentgelt DM 1.230,00; Leistungssatz 60%; Leistungsgruppe A; Kindermerkmal 0; Leistungstabelle 2001) und zahlte den Betrag von DM 61,20 nach.
Der Kläger hat am 6.11.2001 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und höheres Arbeitslosengeld begehrt. Die Klage hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 8.5.2002 unter Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruchsbescheides abgewiesen und ergänzend ausgeführt, verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Regelung vermöge es nicht zu teilen. In seiner Entscheidung vom 23.3.1994 -- 1 BvL 8/85 -- (SozR 3-4100 § 111 Nr. 6) habe das BVerfG die Vereinbarkeit des § 111 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), jetzt ohne inhaltliche Änderung § 136 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch -- Arbeitsförderung -- (SGB III) mit dem Grundgesetz bejaht. Seither sei keine wesentliche Änderung in der Zusammensetzung der Arbeitnehmer von Angehörigen einer Kirche eingetreten.
Gegen den seinen früheren Prozessbevollmächtigten am 24.5.2002 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 21.6.2002 die (vom SG zugelassene) Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, die Berücksichtigung der Kirchensteuer bei der Berechnung des Leistungsentgelts sei unzulässig. Zum Zeitpunkt der Bewilligung des Arbeitslosengeldes sei eine deutliche Mehrheit derjenigen, die einer steuererhebenden Kirche oder Religionsgemeinschaft angehörten, nicht mehr gegeben.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. Mai 2002 und den Bescheid des Arbeitsamtes Reutlingen vom 11. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2001 und in der Fassung des Bescheides vom 18. Oktober 2001 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, Arbeitslosengeld ohne Abzug pauschalierter Kirchensteuer zu zahlen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit auszusetzen und ihn dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen mit der Frage, ob § 136 Abs. 2 Nr. 2 SGB III mit dem Grundgesetz in Übereinstimmung steht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegten Leistungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Gegenstand des Rechtsstreites sind nur die Bescheide betreffend die Bewilligung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 8.3.2001 bis 3.9.2001. Der Kläger hat seine Klage ausdrücklich auf höheres Arbeitslosengeld beschränkt. Gegen die ab 4.9.2001 erfolgte Bewilligung von Arbeitslosenhilfe hat der Kläger gesondert Widerspruch eingelegt (siehe BewA-Vermerk, Blatt 242 der Leistungsakte).
II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, da das SG die Berufung zugelassen hat. Hieran ist der Senat gebunden.
III.
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 8.3.2001 bis 3.9.2001 ohne Abzug der pauschalierten...