Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe. Vermögensverwertung. Treuhandvermögen. Unwirksamkeit der Treuhandvereinbarung bei Vermischung von eigenem und fremden Vermögen auf einem Konto. Zahlungseinstellung. Rücknahme des Verwaltungsaktes
Leitsatz (amtlich)
1. Eine wirksame Treuhandvereinbarung besteht nicht, wenn der Leistungsempfänger (Treuhänder) auf seinem Konto sowohl eigenes Geld als auch Geld des Treugebers angelegt hat. Denn die bei einem Treuhandvertrag bestehende Treuhandbindung untersagt es, das Vermögen des Treugebers mit eigenem zu vermengen (vgl BGH vom 24.6.2003 - IX ZR 120/02 = NJW-RR 2003, 1375).
2. Eine von der Bundesagentur für Arbeit vorgenommene Zahlungseinstellung ist unabhängig davon, ob sie ausdrücklich nur vorläufig erfolgt ist oder nicht, keine Aufhebung des Bewilligungsbescheides. Die Zahlungseinstellung beseitigt nicht den durch den Bescheid zuerkannten Zahlungsanspruch. Die Wirkungen eines begünstigenden Bescheides bleiben bestehen, bis dieser Bescheid durch einen anderen Bescheid beseitigt wird (vgl BSG vom 23.3.1994 - 5 RJ 68/93 = HVBG-INFO 1994, 2883) .
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 16. August 2005 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. März 2003 bis zum 29. Juni 2003 Arbeitslosenhilfe in Höhe von 2.166,72 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen trägt die Beklagte ein Fünftel.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Arbeitslosenhilfe (Alhi).
Die 1959 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Sie war vom 22.04.1985 bis zum 30.06.1996 als Glühlampenarbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend bezog sie bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 28.06.1997 Arbeitslosengeld.
Am 02.05.1996 zahlte sie auf ein nur auf ihren Namen lautendes Konto (Nr. ...) bei der Türkischen Zentralbank .... einen Betrag von 60.000,- DM (30.677,40 €) ein. Die ursprüngliche Laufzeit der Anlage betrug 3 Jahre. Das Geld war jedoch bis Februar 2003 auf diesem Konto angelegt.
Vor der Beendigung des Arbeitslosengeldbezugs stellte die Klägerin beim Arbeitsamt Aalen einen undatierten Antrag auf Gewährung von Alhi. In dem von der Klägerin handschriftlich ausgefüllten Antragsformular (Bl. 40f der Verwaltungsakte) verneinte die Klägerin alle Fragen nach ihrem Einkommen oder Vermögen. Sie unterschrieb auch die auf dem Antragsformular und dem Zusatzblatt zur Bedürftigkeitsprüfung enthaltene Erklärung, wonach sie versichere, dass ihre Angaben zutreffen. Sie bestätigte mit ihrer Unterschrift ferner, das Merkblatt 1 für Arbeitslose “Ihre Rechte, Ihre Pflichten„ erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Daraufhin bewilligte das Arbeitsamt (jetzt: Agentur für Arbeit) Aalen der Klägerin mit Verfügung vom 09.06.1997 Alhi ab 30.06.1997 bis zum 29.06.1998. Gezahlt wurde Alhi allerdings zunächst nur bis zum 25.08.1997, da sich die Klägerin vom 24.08.1997 bis zum 23.09.1997 in einer vom Rentenversicherungsträger bewilligten stationären Heilmaßnahme (Kur) befunden hat. Ab dem 24.09.1997 wurde dann wieder die Zahlung von Alhi aufgenommen. Die Höhe der Alhi richtete sich nach einem Arbeitsentgelt von wöchentlich 720 DM. Weitere Anträge auf Alhi stellte die Klägerin am 07.05.1998 (Bl. 55f der Verwaltungsakte), 06.05.1999 (Bl. 62f), 04.05.2000 (Bl. 69f der Verwaltungsakte), 28.05.2001 (Bl. 76f der Verwaltungsakte) und 27.05.2002 (Bl. 86f der Verwaltungsakte). In allen Anträgen verneinte die Klägerin die Fragen nach Einkommen und Vermögen und versicherte wiederum mit ihrer Unterschrift sowohl die Richtigkeit ihrer Angaben als auch den Erhalt des Merkblatts. Aufgrund dieser Anträge wurde Alhi jeweils für ein Jahr weiterbewilligt. Zuletzt wurde der Klägerin mit Bescheid vom 10.06.2002 Alhi bis zum 29.06.2003 in Höhe von täglich 17,76 € (Bemessungsentgelt 340 €/Leistungsgruppe A/Kindermerkmal 0/Leistungstabelle 2002) zuerkannt. In den hier streitigen Zeiträumen wurden von der Beklagten für die Klägerin Alhi, Krankenversicherungsbeiträge (KV) und Beiträge zur Pflegeversicherung (PfV) in folgendem Umfang aufgebracht:
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Alhi |
KV |
PfV |
30.06.1997 bis 25.08.1997 |
2.727,84 € |
868,20 € |
110,76 € |
24.09.1997 bis 15.11.1998 |
5.593,57 € |
1787,53 € |
226,78 € |
30.06.2002 bis 31.12.2002 |
3.285,60 € |
719,92 € |
55,85 € |
01.01.2003 bis 28.02.2003 |
1.041,35 € |
144,75 € |
17,70 € |
Summen |
12.648,36 € |
3.520,40 € |
411,09 € |
Gesamtsumme: 16.579,85 € |
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Im Februar 2003 erfuhr die Beklagte durch Feststellungen der Steuerfahndung, dass die Klägerin im Mai 1996 einen Betrag in Höhe von 60.000 DM bei der .... in Ankara angelegt hat. Daraufhin stellte die Beklagte die Zahlung von Alhi an die Klägerin mit Ablauf des 28.02.2003 ein. Ein Bescheid über die Aufhebung der Leistungsbewilligung erging nicht. Am 24.03.2003 hat die Klägerin zweimal persönlich beim Arbeitsamt Aalen vorgesprochen. Über beide Vorsprachen sind von der Sachbearbeite...