Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Anrechnung von Nebeneinkommen. Freibetrag nach § 141 Abs 2 SGB 3. Versicherungspflichtverhältnis. Gleichstellung des Bezugs von Lohnersatzleistungen. Verletztengeld. verfassungskonforme Auslegung. Begriff der geringfügigen Beschäftigung. Anrechnung von Nebeneinkommen auf das Arbeitslosengeld. Verfassungskonforme Auslegung der Anrechnungvorschrift

 

Leitsatz (amtlich)

Der Bezug von Lohnersatzleistungen bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis steht der Ausübung einer Beschäftigung iS von § 141 Abs 2 SGB 3 gleich.

 

Orientierungssatz

§ 141 Abs 2 SGB 3 aF ist im Wege der verfassungskonformen Auslegung dahingehend auszulegen, dass auch das Entgelt aus einer mehr als geringfügigen Beschäftigung anrechnungsfrei bleibt, sofern die weiteren Vorsaussetzungen des Abs 2 vorliegen und die Beschäftigung weniger als 15 Stunden ausgeübt wird. Eine allein am Wortlaut orientierte Auslegung führt zu einer durch sachliche Gründe nicht mehr gerechtfertigten Ungleichbehandlung gegenüber den Beziehern von Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung sowie den Versicherten mit Einkünften aus selbständiger Tätigkeit.

 

Normenkette

SGB III § 141 Abs. 1, 2 Fassung: 2003-12-23; GG Art. 3 Abs. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 01.03.2011; Aktenzeichen B 7 AL 26/09 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Oktober 2007 und der Bescheid der Beklagten vom 08. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2007 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Abänderung der Bescheide vom 08. Februar 2007, 14. März 2007, 05. April 2007, 10. Mai 2007, 01. Juni 2007, 28. Juni 2007 und 07. September 2007 ab 02. Februar 2007 höheres Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines Freibetrags für Nebeneinkommen in Höhe von monatlich 234,30 € zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welcher Höhe das Nebeneinkommen des Klägers ab dem 02.02.2007 auf das ihm gewährte Arbeitslosengeld anzurechnen ist.

Der am … 1948 geborene Kläger war nach einer Zeit der Selbständigkeit ab dem 11.04.2001 wieder versicherungspflichtig beschäftigt als Arbeiter bei der Firma G. GmbH mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden. Daneben übte er aufgrund einer am 05.10.2001 mit dem Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Finanzamt Baden-Baden, geschlossenen Vereinbarung ab 01.10.2001 eine Tätigkeit als Verstärker bei der Spielbankkontrollgruppe Baden-Baden aus. Eine feste wöchentliche Arbeitszeit war hierbei nicht vereinbart; der Kläger war auf Abruf tätig und erhielt nur die tatsächlich geleistete Arbeitszeit bei einem Stundensatz von 26,00 DM vergütet. Ausweislich der im Berufungsverfahren vorgelegten Lohnbescheinigungen erzielte er hierbei folgendes Bruttoeinkommen:

März 2003

(für Dezember 2002 und Januar 2003)

 1.696,08 €

April 2003

(für Februar 2003)

 751,58 €

Mai 2003

(für März 2003)

 690,85 €

Juni 2003

(für April 2003)

 710,79 €

Juli 2003

(für Mai 2003)

 301.77 €

September 2003

(für Juni und Juli 2003)

 1.645,10 €

Oktober 2003

(für August 2003)

 841,28 €

November 2003

(für September 2003)

 684,21 €

Dezember 2003

(für Oktober 2003)

 791,45 €

Januar 2004

(für November und Dezember 2003)

 1.284,57 €

Am 12.12.2003 erlitt der Kläger in Ausübung seines Hauptberufes einen Arbeitsunfall, bei dem er sich eine Schädelverletzung zuzog. Vom 13.12.2003 bis zum 09.06.2005 war er arbeitsunfähig erkrankt. Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege gewährte ihm vom 23.01.2004 bis zum 09.06.2005 Verletztengeld und ab dem 10.06.2005 eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 v.H. auf unbestimmte Zeit ((monatlich 948,72 €, Bl. 116 der Rentenakten) - Rentenakten wurden wieder zurückgesandt - Bl. 40). Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Firma G. GmbH endete durch arbeitgeberseitige Kündigung vom 03.03.2004 zum 03.04.2004.

Am 08.06.2005 meldete sich der Kläger bei der Beklagten mit Wirkung zum 10.06.2005 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Die BKK Pfalz teilte in einer Bescheinigung gemäß § 312 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) mit, es habe Versicherungspflicht wegen des Bezuges von Verletztengeld in der Zeit vom 23.01.2004 bis 09.06.2005 bestanden. Der Kläger sei Mehrfachbeschäftigter gewesen. Das Verletztengeld sei in der Zeit bis 30.11.2004 nach einem ungekürzten Regelentgelt von kalendertäglich 67,33 € und 17,50 €, in der Zeit vom 01.12.2004 bis 09.06.2005 nach einem ungekürzten Regelentgelt von kalendertäglich 68,13 € und 17,71 € gewährt worden.

Mit Bescheid vom 29.06.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 10.06.2005 in Höhe von täglich 30,59 € und einer Anspruchsdauer von 720 Kalendertagen. Zur Berechnung des Bemessungsentgelts legte sie das vom Kläger bei der Firma G. GmbH vom 01.0...

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