Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückzahlung einer überzahlten Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem Tod des Leistungsberechtigten. Rückforderungsanspruch nach § 118 Abs 4 S 4 SGB 6. Vertrauensschutz. vermeintliche Unkenntnis von der zu Unrecht erbrachten Rentenleistung. Erbenstellung nach griechischem Recht

 

Orientierungssatz

1. § 118 Abs 4 S 4 SGB 6 bestimmt einen eigenständigen Rückforderungsanspruch gegenüber den Erben, die die überzahlte Rente nicht in Empfang genommen und nicht über die Rentenzahlung verfügt haben iS des § 118 Abs 4 S 1 SGB 6.

2. Zur Stellung des Erben und zur wirksamen Ausschlagung der Erbschaft nach griechischem Recht.

3. Die bloße Behauptung, aufgrund gesundheitlicher Probleme vom Tod einer Rentenbezieherin und der Erbschaft zunächst keine Kenntnis genommen und sich nicht um die Beerdigung gekümmert zu haben, reicht nicht aus, um die Feststellung einer grob fahrlässigen Unkenntnis der rechtsgrundlosen Weiterzahlung von Witwenrente zu verhindern bzw ein schutzwürdiges Vertrauen in die rechtsgrundlose Weiterzahlung der Rente feststellen zu können.

4. Der Anspruch nach § 118 Abs 4 S 4 SGB 6 iVm § 50 SGB 10 setzt nicht voraus, dass der Erbe über die im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ererbte Kontoinhaberschaft hinaus auch etwas aus dem nach dem Tod des verstorbenen Leistungsempfängers gezahlten Rentenleistungen erlangt oder darüber Verfügungen getroffen hat. Der Erbe muss insoweit nicht gleichzeitig Verfügender oder Empfänger iS des § 118 Abs 4 S 1 SGB 6 sein.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Dezember 2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.116,16 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung zu Unrecht gezahlter Rentenleistungen.

Die Klägerin ist die Tochter der C, die zuletzt in Griechenland gelebt hat. Auf den formlosen Antrag der C vom 13.04.2012 bewilligte die Beklagte ihr mit Rentenbescheid vom 19.07.2012 vorschussweise Witwenrente aus der Versicherung ihres am 19.02.2012 verstorbenen Ehemannes I rückwirkend ab März 2012. Die Rente wurde auf das von C mitgeteilte, in Griechenland geführte Konto der C überwiesen, für das nach Mitteilung der C auch ihr Sohn A verfügungsberechtigt war.

Der Aufforderung der Beklagten an C zur Nachreichung eines Rentenantrags in den dafür vorgesehenen Formularvordrucken kam C, die am 31.07.2012 verstarb, nicht mehr nach. Eine Mitteilung über den Tod von C erhielt die Beklagte zunächst nicht. Nachdem die angeforderte Lebendbescheinigung der C ausblieb, stellte der Renten Service der Beklagten die Rentenzahlung an C ab Dezember 2013 vorübergehend und ab Mai 2014 endgültig ein. Die Zahlbeträge der Witwenrente für Dezember 2013 bis April 2014 in Höhe von monatlich 319,51 Euro, insgesamt 1.601,55 Euro, erhielt die Beklagte über den Renten-Service zurück, im Übrigen blieb die an die Bank gerichtete Rückforderung der auf das Konto der C erfolgten Zahlungen für August 2012 bis Juni 2013 in Höhe von monatlich 319,51 Euro und von Juli 2013 bis November 2013 in Höhe von monatlich 320,31 Euro, insgesamt 5.116,16 Euro, erfolglos.

Auf Anforderung der Beklagten übersandte die Gemeinde, in der C zuletzt gelebt hatte, eine Sterbeurkunde und eine Bescheinigung über die nächsten Angehörigen der C. Daraus ergibt sich, dass C drei Kinder hatte, neben der Klägerin und A noch einen Sohn D, der bereits im Jahr 2011 ohne Abkömmlinge vorverstorben ist. Weiter erhielt die Beklagte eine Bescheinigung der Gemeinde vom 21.05.2014 darüber, dass die Klägerin als Tochter von C deren Erbin sei. Eine Anschrift von A konnte die Beklagte nicht in Erfahrung bringen.

Mit Schreiben vom 15.08.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Rente der C zum 31.07.2012 hätte wegfallen müssen, aber bis zum 30.04.2014 gezahlt worden sei. Nach Abzug der bereits erfolgten Rückzahlung verbleibe eine Überzahlung in Höhe von 5.116,16 Euro, die die Erben nach § 118 Abs. 4 Satz 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) i. V. m. § 50 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) als zu Unrecht erbrachte Leistung zu erstatten hätten. Da die Klägerin nach dem Ergebnis ihrer Ermittlungen die Erbin von C sei, werde sie aufgefordert, die Forderung zu begleichen. Hierauf erfolgte keine Reaktion der Klägerin.

Mit Bescheid vom 23.10.2014 forderte die Beklagte von der Klägerin den Betrag von 5.116,16 Euro unter Bezugnahme auf § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI i. V. m. § 50 Abs. 2 SGB X zurück und führte aus, dass die Klägerin als Erbin den überzahlten Betrag zu erstatten habe. Sie könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da allgemein bekannt sei, dass mit dem Tod des Rentners für den Folgemonat kein Rentenanspruch mehr bestehe und dass die Rentenzahlung, die zurückgefordert werde, nach dem Tod des Rentners ohne anders auszuüben, z. B. wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse, seien nach Aktenlage nicht ersichtlich...

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