Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückforderung überzahlter Geldleistungen nach dem Tod des Rentenberechtigten. Haftung des Erben gem § 118 Abs 4 S 4 SGB 6 nur bei einem tatsächlichen Zufluss der Rentenleistung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Haftung des Erben (hier nach griechischem Erbrecht) gem § 118 Abs 4 S 4 SGB VI iVm den § 50 Abs 2 S 1, S 2 iVm § 45 SGB X scheidet aus, wenn der Erbe von den auf das Konto des Erblassers geflossenen Renten(über)zahlungen tatsächlich nichts erhielt.

 

Orientierungssatz

Zum Leitsatz vgl BSG vom 3.4.2014 - B 5 R 25/13 R = SozR 4-2600 § 118 Nr 13 = juris RdNr 37.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19.06.2017 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Gründe

I.

Die Beklagte nimmt die Klägerin als Erbin wegen überzahlter Rentenleistungen in Anspruch.

Die am 1955 geborene Klägerin lebt seit Jahren in Deutschland. Sie und zwei, ebenfalls in Deutschland wohnende Schwestern sowie ein in G. wohnender Bruder sind nach griechischem Recht jeweils anteilig (zu einem Viertel) Erbe ihres Vaters. Der am 21.08.1934 geborener Vater war ebenfalls in G. wohnhaft und erhielt von der Beklagten Altersrente sowie nach dem Tod seiner Ehefrau im Juli 2009 Witwerrente, die jeweils auf ein bei einer griechischen Bank geführtes Konto überwiesen wurden. Der Bruder der Klägerin lebte zusammen mit dem Vater in einem, einer der Schwestern der Klägerin gehörenden Haus und kümmerte sich um den Vater. Er verfügte über eine Bankvollmacht und eine Bankkarte für das Konto des Vaters, auf das die Rentenleistungen der Beklagten gezahlt wurden. Der Vater verstarb am 20.07.2013, wovon die Beklagte erstmals im Dezember 2014 erfuhr. Entsprechend wurden die Renten für die Monate August 2013 bis November 2013 weiterhin ausgezahlt (Altersrente insgesamt 13.128,15 €, Witwerrente insgesamt 2.710,18 €, vgl. Bl. 48 Rückseite, 60 VA). Ein Rückforderungsverlangen an die g. Bank blieb erfolglos (Bl. 63 VA). Vom griechischen Konto flossen die eingegangenen Rentenleistungen jeweils zeitnah ab (vgl. die von der Klägerin über ihre Schwester beschafften Kontoauszüge, Bl. 30 ff. SG-Akte), wobei unbekannt blieb, wer die Barabhebungen vornahm. Aus Sicht der Klägerin konnte dies nur der in G. lebende Bruder gewesen sein, was sich mit einem Vermerk in den Verwaltungsakten deckt (Bl. 54 VA: Bruder wahrscheinlich Verfügender).

Die Klägerin selbst erfuhr von einer ihrer Schwestern vom Tod des Vaters. Sie hatte seit Jahren, seit dem Tode der Mutter, keinerlei Kontakt mehr zu ihm. Da sich - so die Auskunft der Schwester an die Klägerin - der Bruder um alle Angelegenheiten, einschließlich Beerdigung, in G. kümmern wollte, sah die Klägerin keinen Anlass, nach G. zu fahren. Sie war auch nicht auf der Beerdigung, hatte nach dem Tode des Vaters keinen Kontakt zum Bruder und von der Weiterzahlung der Rente keine Kenntnis. Sie erhielt nach dem Tode des Vaters aus der Erbschaft nichts und sie erwartete auch nichts, sodass sie sich auch nicht weiter um die Angelegenheit kümmerte. Zugriff auf das g. Konto, insbesondere eine Verfügungsmöglichkeit, hatte sie nie.

Mit Bescheid vom 08.06.2016 und Widerspruchsbescheid vom 19.12.2016 forderte die Beklagte von der Klägerin als Erbin nach griechischem Recht anteilig (zu einem Viertel) Erstattung der überzahlten Rente in Höhe von 3.959,58 €. Die Klägerin habe auf Grund grober Fahrlässigkeit keine Kenntnis von der durch den Tod entstandenen Überzahlung und der damit verbundenen Rückzahlungsverpflichtung, weil sie sich nach dem Tode ihres Vaters um die Frage des Erbes nicht gekümmert habe. Sie hätte klären müssen, ob durch den Tod Verbindlichkeiten entstanden, für die sie geradestehen müsse.

Das hiergegen am 16.01.2017 angerufene Sozialgericht Karlsruhe hat mit Urteil vom 19.06.2017 die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Es hat eine grob fahrlässige Verletzung einer Pflicht zur Mitteilung des Todes des Versicherten an die Beklagte durch die Klägerin verneint, ebenso eine grobe Fahrlässigkeit im Hinblick auf die Unkenntnis überzahlter Rente.

Hiergegen hat die Beklagte am 05.07.2017 Berufung eingelegt. Sie hält ihre Argumentation aus dem Widerspruchsbescheid aufrecht. Zwar habe der Gesetzgeber neben der Erbenstellung noch eine Vertrauensschutzprüfung gefordert, was aber nicht dazu führen dürfe, dass Erben im Ergebnis weitgehend aus der Erstattungspflicht herausfielen. Für die Mitteilung des Todes hätten die Erben eine Garantenstellung gegenüber dem Rentenversicherungsträger. Im Hinblick auf die Tatsache, dass die Klägerin von der überzahlten Rente aus der Erbschaft nichts erhielt, meint die Beklagte, dass diese Sichtweise der gesetzlichen Regelungen nicht dem Willen des Gesetzgebers entspräche.

Die Beklage beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19.06.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, 30 Jahre lang nicht mehr in G. gewesen zu sein und nach dem Tod ih...

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