Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Erstattungspflicht des Arbeitgebers. Befreiungstatbestand. unzumutbare Belastung. Nachweis. Beurteilungszeitpunkt. fachkundige Stellungnahme. Kausalität
Orientierungssatz
1. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der unzumutbaren Belastung iS § 128 Abs 2 Nr 2 AFG idF vom 18.12.1992 ist jeweils laufend der Zeitpunkt der Fälligkeit der Erstattungsforderung, dh der Zeitpunkt der Bekanntgabe der sich auf Vierteljahreszeiträume rückwirkend beziehenden Erstattungsbescheide. Weil aber der Arbeitgeber die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Erstattungspflicht darlegen und nachweisen muß, kann die Bundesanstalt für Arbeit den Befreiungstatbestand erst im Zeitpunkt der Geltendmachung des Befreiungstatbestandes unter Vorlage der vom Gesetz geforderten Stellungnahme der fachkundigen Stelle beurteilen. Bei der Entscheidung handelt es sich im Regelfall um eine Prognoseentscheidung, es sei denn, daß zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Befreiungstatbestandes der gesamte Erstattungszeitraum bereits abgelaufen ist und der Erstattungsanspruch für den gesamten Zeitraum bereits geltend gemacht wurde.
2. Die nach § 128 Abs 2 Nr 2 AFG zum Nachweis erforderliche Stellungnahme einer fachkundigen Stelle ist kein Sachverständigengutachten im prozessualen Sinne. Durch eine fachkundige Stellungnahme, die nicht berücksichtigt, daß für die Beurteilung iS § 128 Abs 2 Nr 2 AFG entscheidend ist, ob die Gefährdung des Unternehmens oder der Arbeitsplätze gerade durch die Erstattungsforderung eintritt (Kausalität), kann der Nachweis der unzumutbaren Belastung nicht geführt werden.
Tatbestand
Streitig ist die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) und von der Beklagten getragener Beiträge zur gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit des am 29.09.1934 geborenen, verheirateten G B (B.).
Die Klägerin ist ein Hersteller von schweren Dieselmotoren für Schiffahrt, Eisenbahn, Schwerfahrzeuge und Energieversorgung. Sie ist seit 1995 ein Tochterunternehmen der D-B AG (jetzt D-Ch AG). Mit der M M- und T Union M besteht seit Januar 1992 ein Ergebnisabführungsvertrag, die D B AG ist mit Wirkung vom 01.01.1995 dem Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag beigetreten.
B. war seit Januar 1966 bei der Klägerin beschäftigt, zuletzt als Betriebsinstallateur. Das Arbeitsverhältnis, für das die ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber tarifvertraglich ausgeschlossen war und für das im übrigen eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Vierteljahresschluß galt, endete durch Aufhebungsvertrag vom 10.05.1993 zum 31.01.1994 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 35.246,85 sowie einer Urlaubsabgeltung. Wäre der abgegoltene Urlaub im Anschluß an das Arbeitsverhältnis genommen worden, hätte er bis 04.02.1994 gedauert. Im Zeitpunkt des Ausscheidens war das Arbeitsentgelt bis einschließlich Januar 1994 bereits abgerechnet worden. In den Monaten Dezember bis August 1993 hatte B. neben Kurzarbeitergeld von der Klägerin folgendes Arbeitsentgelt erhalten (im übrigen wird auf Bl. 17 der Leistungsakte Bezug genommen):
|
Lohnabrechnungszeit- |
Arbeitsentgelt |
bezahlte |
bezahlte |
raum |
brutto |
Arbeitstage |
Arbeitsstunden |
Januar 1994 |
4.306,-- |
21 |
156,0 |
Dezember 1993 |
3.567,-- |
19 |
136,80 |
November 1993 |
3.533,-- |
18 |
129,60 |
Oktober 1993 |
3.496,-- |
17 |
122,40 |
September 1993 |
3.533,-- |
18 |
129,60 |
August 1993 |
3.674,-- |
19 |
136,80 |
Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit betrug 36 Stunden.
B. meldete sich am 18.01.1994 arbeitslos und beantrage die Gewährung von Alg. Zu diesem Zeitpunkt war -- wie schon zu Jahresbeginn und in der Folgezeit -- die Steuerklasse III auf seiner Lohnsteuerkarte eingetragen. Einschränkungen hinsichtlich seiner Vermittlungsfähigkeit, auch aus gesundheitlichen Gründen verneinte B., gab aber die Erklärung über die Inanspruchnahme von Alg unter den erleichterten Voraussetzungen des § 105c des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) ab. Bei seiner Arbeitslosmeldung wurde er von der Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er bei Krankheit während des Leistungsbezuges eine Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitsamt mitteilen und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen müsse. Die Beklagte bewilligte -- ausgehend vom Ruhen des Anspruchs wegen der Abfindung bis 01.04.1994 und dem Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit vom 01.02. bis 25.04.1994 mit einer Minderung der Anspruchsdauer um 72 Tage -- Alg unter den erleichterten Voraussetzungen des § 105c AFG ab dem 26.04.1994 für 760 Tage nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 980,-- DM in Höhe von wöchentlich 402,-- DM, ab dem 02.01.1995 in Höhe von wöchentlich 396,-- DM. Die Leistungsbewilligung wurde mit Wirkung ab dem 01.02.1995 aufgehoben (Restanspruchsdauer über 500 Tage), weil B. von der Bundesknappschaft ab diesem Zeitpunkt Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erhielt. Für ihre Leistungszeiträume trug die Beklagte die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur Betriebskrankenkasse der Klägerin.
Nach einer allgemeinen Anhö...