Entscheidungsstichwort (Thema)

Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Arbeitslosengeld. Erstattungspflicht des Arbeitgebers und Befreiungstatbestände nach § 128 AFG. Amtsermittlungspflicht. anderweitige Sozialleistungsansprüche. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Ein Antrag auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die Fülle tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten in pauschaler Form reicht nicht aus, um die Besonderheiten darzulegen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machen.

2. Eine Anhörung ist nicht deshalb fehlerhaft, weil sie erst zwei Jahre nach Beginn des Leistungsbezuges des Arbeitnehmers erfolgt ist. Für die Durchführung notwendiger Anhörungen gibt es keine Fristen.

3. § 128 AFG ist verfassungsgemäß (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl ua vom 17.12.1997 - 11 RAr 61/97 = BSGE 81, 259 = SozR 3-4100 § 128 Nr 5).

4. Nach der ständigen Rechtsprechung, der der Senat folgt, erfordert die amtliche Sachaufklärungspflicht nicht, nach Tatsachen zu forschen, für deren Bestehen die Umstände des Einzelfalles keine Anhaltspunkte bieten (BSG aaO).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.06.2002; Aktenzeichen B 7 AL 8/01 R)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) sowie der hierauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge nach § 128 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) im Falle des früheren Arbeitnehmers Alfred P (im Folgenden P.) in der Zeit vom 20. März 1997 bis 17. März 1999 in Höhe von insgesamt 118.557,78 DM streitig.

Der ... 1939 geborene P. war seit dem 1. Februar 1960 bis 31. Dezember 1996 als Technischer Sachbearbeiter, Meister und Kundendienstberater bei der Firma D bzw. bei der Klägerin, einer Tochter der Firma ... C -- Rechtsnachfolgerin der Firma M AG --, (dort seit 1. März 1995) beschäftigt. Nach Angaben der M AG in der Arbeitsbescheinigung vom 22. Januar 1997 wurde das Beschäftigungsverhältnis durch Auflösungsvertrag vom 12. Dezember 1996 gegen Zahlung einer Abfindung von DM 69.164,-- beendet.

P. meldete sich am 16. Dezember 1996 bei dem Arbeitsamt W (AA) arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. In dem von ihm unterzeichneten Antragsvordruck verneinte er die unter den Ziffern 3 und 4 gestellten Fragen, ob er vom Arzt arbeitsunfähig krank geschrieben sei und ob er Leistungen beziehe oder einen Antrag auf solche Leistungen gestellt habe, gab aber an, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit könne er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten. In seiner Stellungnahme zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gab P. als Grund für die Lösung gesundheitliche Gründe an. Am 22. April 1995 sei er durch den Notarzt wegen Verwirrtheitszuständen in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Der wahre Grund habe nicht diagnostiziert werden können. Seitdem müsse er blutverdünnende Medikamente gegen seinen viel zu hohen Blutdruck nehmen. Außerdem leide er seit Anfang 1995 an einem ständigen Pfeifton im rechten Ohr. Als Kundendienstbeauftragter für Omnibusse sei er dauernd sehr starken psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt gewesen. Das AA veranlasste daraufhin eine amtsärztliche Begutachtung von P.. In seinem Gutachten vom 23. Januar 1997 kam Dr. A aufgrund der Untersuchung von P. zu dem Ergebnis, dass dieser noch vollschichtig leichte Tätigkeiten ohne Zeitdruck verrichten könne. Für die Beendigung des letzten Beschäftigungsverhältnisses hätten wichtige medizinische Gründe vorgelegen. Dementsprechend wurde von dem AA keine Sperrzeit festgestellt und P. unter Ruhen des Anspruchs auf Alg wegen des Erhalts einer Abfindung ab dem 20. März 1997 Alg mit einer Anspruchsdauer von 832 Tagen in Höhe von DM 658,20 wöchentlich (Leistungsgruppe C/0; Bemessungsentgelt DM 1.840,--) gewährt. Der wöchentliche Leistungssatz betrug ab 1. Januar 1998 DM 670,39, ab 1. Januar 1999 DM 680,54. Alg wurde bis 31. Oktober 1999 gezahlt. Ab dem 1. November 1999 bewilligte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Altersrente (Rentenbescheid vom 28. September 1999).

Das AA unterrichtete die Klägerin mit Schreiben vom 26. Februar 1997 über die Erstattungspflicht nach § 128 AFG und gab ihr Gelegenheit, sich zu äußern. Nachdem die Klägerin mitteilte, dass eine Stellungnahme nicht erfolgen werde, stellte das AA mit Bescheid vom 8. Juli 1997 den Eintritt der Erstattungspflicht nach § 128 AFG ab dem 20. März 1997 für längstens 624 Tage fest. Nachfolgend ergingen, teilweise nach vorheriger Anhörung, Abrechnungsentscheidungen betreffend den Zeitraum vom 20. März 1997 bis 31. Dezember 1997 (Bescheide vom 8. Juli 1997, 31. Oktober 1997 und 5. Februar 1998), wobei auf den am 31. Juli 1997 erhobenen Widerspruch das Verfahren im Hinblick auf die Vereinbarung mit dem Landesarbeitsamt Baden-Württemberg vom 14. Juli 1995 ruhend gestellt wurde.

Mit Schreiben vom 27. Januar 1999 bzw. 24. Februar 1999 befragte das AA P. zu seinem Gesundheitszustand während des Beschäftigungsverhältnisses und nach dessen Abschluss für die Zeit vom 20. März 1997 bis 31. Dezember 19...

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