Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Verfügbarkeit. Erreichbarkeit des Arbeitslosen nach dem SGB 3

 

Orientierungssatz

1. Der Senat hält es unter der Geltung des § 119 SGB 3 nicht mehr für erforderlich, dass der Arbeitslose sich täglich zur Zeit des Eingangs der Briefpost in seiner Wohnung aufhalten muss (sog. Residenzpflicht). Vielmehr kann er auch dann orts- und zeitnah auf Vermittlungsbemühungen reagieren, wenn er in der Lage ist, am Tag nach Eingang der Briefpost sich beim Arbeitsamt, bei einem Arbeitgeber oder bei einem Maßnahmeträger vorzustellen.

2. Auch wenn sich der Arbeitslose demnach nicht zwingend unter der den Arbeitsamt bekannten Adresse aufhalten muss, so muss dennoch der Aufenthaltsort in der Nähe der dem Arbeitsamt bekannten Adresse und zumindest innerhalb des Einzugsbereichs des Arbeitsamtes liegen, weil andernfalls mit einer verzögerten Reaktion des Arbeitslosen auf Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zu rechnen ist.

3. Der Arbeitslose kann im Falle des Umzuges ohne Bekanntgabe der neuen Adresse und ohne das tägliche Aufsuchen der alten Adresse zur Abholung der Briefpost auch durch Stellung eines Postnachsendeantrages auf Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes nicht mehr zeitnah reagieren, wenn dadurch eine Verzögerung um mindestens 2 Tage auftritt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 09.08.2001; Aktenzeichen B 11 AL 17/01 R)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) zu Recht für die Zeit vom 02.02.1999 bis 02.03.1999 aufgehoben hat und die Erstattung von Leistungen in Höhe von insgesamt DM 1.559,26 verlangen kann.

Der 1973 geborene Kläger, türkischer Staatsangehöriger, beantragte am 12. Januar 1999 nach vorangegangener Gewährung von Arbeitslosengeld die Bewilligung von Anschluß-Alhi. Im Antrag gab er als Anschrift "Bstraße ..., ... H" an. Unterschriftlich bestätigte er dabei den Erhalt und die Kenntnisnahme des Merkblattes für Arbeitslose "Dienste und Leistungen". Das Arbeitsamt G (AA) bewilligte ihm daraufhin mit Bescheid vom 15. Januar 1999 Alhi ab 1. Januar 1999 nach einem wöchentlichen Leistungssatz von DM 282,31, abgeändert durch weiteren Bescheid vom 4. März 1999 in DM 346,22 ab 1. März 1999. Am 5. März 1999 kam ein am 2. März 1999 zur Post aufgegebenes Schreiben an das AA zurück mit dem Vermerk "F-Weg ..., ... A". Mit Veränderungsmitteilung von 3. März 1999 teilte auch der Kläger diese Anschrift mit dem Hinweis mit, er sei am 1. Februar 1999 umgezogen. Zahlungen von Alhi erfolgten bis 30. Juni 1999.

Nachdem der Kläger das Anschreiben des AA vom 10. März 1999 hinsichtlich seiner Erreichbarkeit nach dem Umzug nicht beantwortete, leitete das AA mit Schreiben vom 20. April 1999 das Anhörungsverfahren nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ein. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 18. Mai 1999 hob das AA die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 2. Februar 1999 bis 2. März 1999 mit der Begründung ganz auf, ab dem Umzugstag sei der Kläger unter der von ihm benannten Anschrift nicht erreichbar gewesen und habe somit der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden. Gleichzeitig forderte das AA den Kläger zur Erstattung der Leistungen in Höhe insgesamt 1.559,26 DM (Alhi 1.169,57 DM, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung 389,69 DM) auf. Der hiergegen am 7. Juni 1999 erhobene und nicht begründete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17. August 1999 als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Begründung des Widerspruchsbescheides wird Bezug genommen.

Gegen den am 23. August 1999 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 26. August 1999 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) und machte geltend, er sei aufgrund des ab 3. Februar 1999 geltenden Nachsendeantrages jederzeit für das AA erreichbar gewesen. Darüberhinaus habe das AA überhaupt kein Interesse gehabt, ihn zu erreichen. Der Beklagte trat der Klage entgegen. Mit Urteil vom 14. Dezember 1999 wies das SG die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 10. Januar 2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27. Januar 2000 Berufung eingelegt. Er macht geltend, dass nach dem Runderlaß der Beklagten vom 25. November 1998 seine Erreichbarkeit durch den Umzug in eine Nachbargemeinde bei gleichzeitiger Stellung eines Nachsendeantrages gewährleistet gewesen sei. A und H hätten auch die gleiche Telefon-Vorwahl. Das gemeinsame Briefpostzentrum befinde sich in K. Im Übrigen habe sich an der alten Adresse auf dem Briefkasten und an der Klingel noch sein Name befunden, so dass ihn auch im April 1999 noch Post erreicht habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Dezember 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 1999 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, dass unter einer Nachbargemeinde nur die Gemeinde v...

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