Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Arzneimittel. Verfassungsmäßigkeit des Herstellerrabatts. Herstellerabschlag ab 2004 auch für Versandapotheke mit Sitz in den Niederlanden
Orientierungssatz
1. Die mit dem Beitragssicherungsgesetz eingeführte Rabattvorschrift in § 130a SGB 5 ist mit dem Grundgesetz vereinbar (vgl BVerfG vom 13.9.2005 - 2 BvF 2/03 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9).
2. Die Rabattregelungen in § 130a SGB 5 sind auch auf eine Versandapotheke anzuwenden. Dass sie ihren Sitz in den Niederlanden hat, steht dem im Hinblick auf das Territorialitätsprinzip nicht entgegen. Auch der Beitritt zum Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs 2 SGB 5 ist nicht Voraussetzung für ihre Einbindung in das System der Herstellerrabatte.
3. Die Existenz eines Abgabepreises iS von § 130a Abs 1 SGB 5 als Bezugspunkt des Herstellerrabatts hängt von der Anwendbarkeit der Arzneimittelpreisverordnung auf ausländische Apotheken nicht ab.
4. Die Erstattung von Herstellerrabatten scheitert für die Zeit vor dem Jahr 2004 aufgrund des strikten Versandhandelverbots in § 43 Abs 1 AMG 1976 alter Fassung.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21.6.2005 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.826,02 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 13.7.2004 auf einen Betrag von 1.873,76 € und seit dem 13.12.2006 auf einen Betrag von 395,20 € und seit 19.12.2007 auf einen Betrag von 2.593,06 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt 3/4, die Klägerin trägt 1/4 der Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge; mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird für die 1. Instanz auf 3.446,07 € und für die 2. Instanz auf 6.398,33 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung des so genannten Herstellerrabatts gem. § 130a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) für Arzneimittel, die die Klägerin an Versicherte deutscher Krankenkassen im Wege des Versandhandels während der Jahre 2003 bis 2007 abgegeben hat.
Der Herstellerrabatt wurde (zusätzlich zum Apothekenrabatt nach § 130 SGB V) angesichts wachsender Ausgaben der Krankenkassen für Arzneimittel einerseits und steigender Gewinne der Arzneimittelhersteller andererseits mit Wirkung zum 1.1.2003 durch das Beitragssatzsicherungsgesetz (vom 23.12.2002, BGBl. S. 4637, BSSichG) eingeführt. Er ist in der neu geschaffenen Vorschrift des § 130a SGB V geregelt. Diese sieht vor, dass die Arzneimittelhersteller den Krankenkassen auf Arzneimittel, die nicht der Festbetrags- oder der so genannten “aut-idem-Regelung„ unterliegen, einen Rabatt auf den Herstellerabgabepreis (2003: 6 %, 2004: 16 %) gewähren müssen. Den Rabatt erhalten die Krankenkassen unmittelbar von den Apotheken über einen entsprechenden Abschlag. Die Arzneimittelhersteller haben den Apotheken diesen Abschlag sodann zu erstatten (§ 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V). Für die (vereinfachte) Abwicklung des Rabatts hat der Deutsche Apothekerverband e.V. mit den Spitzenverbänden der Pharmaindustrie durch Rahmenvertrag nach § 130a Abs. 5 und 6 SGB V ein zentrales Abrechnungsverfahren vereinbart. Danach übermitteln die Apotheken den Arzneimittelherstellern zum Nachweis des den Krankenkassen gewährten Abschlags (maschinenlesbar) das Arzneimittelkennzeichen des abgegebenen Arzneimittels (Pharmazeutische Identifizierungsnummer - PZN - mit einem Schlüssel für Hersteller, Handelsname, Darreichungsform, Wirkstoffstärke und Packungsgröße) und das jeweilige Abgabedatum. Erhöhungen des Herstellerabgabepreises werden durch § 130a Abs. 2 SGB V reglementiert, um zu verhindern, dass der Rabatt durch Preiserhöhungen aufgefangen wird.
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz in H., N. (seit 2004, zuvor Landgraf, Niederlande). Neben einer Apotheke am Firmensitz, in der Arzneimittel an Laufkunden abgegeben werden, betreibt sie eine Versandapotheke (Internetapotheke). Mit dieser erzielt sie den ganz überwiegenden Teil des Umsatzes. Nach eigenen Angaben beliefert sie überwiegend den deutschen Markt; im ersten Halbjahr 2006 verfügte sie (wiederum nach eigenen Angaben) über 700.000 deutsche Kunden. Die Arzneimittel erwirbt sie bei deutschen Großhändlern, die an den Betriebssitz der Klägerin in die Niederlande liefern. Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen können dort etwa 60.000 nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) zugelassene Arzneimittel über das Internet oder per Post bzw. Telefon bestellen und sich per Kurierdienst zusenden lassen. Rezeptpflichtige Arzneimittel werden gegen Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung als Sachleistung abgegeben. Die Abrechnung erfolgt (wie bei deutschen Apotheken) über die zuständige Verrechnungsstelle unmittelbar mit den Krankenkassen.
Die Beklagte ist die deu...