Entscheidungsstichwort (Thema)

Versandapotheke. Zulassung in anderem Mitgliedstaat. Anspruch auf Herstellerrabatt nach § 130a Abs 1 S 2 SGB 5

 

Orientierungssatz

Eine in einem Mitgliedstaat zugelassene Versandapotheke hatte bis 31.12.2003 keinen Anspruch auf den Herstellerrabatt nach § 130a Abs 1 S 2 SGB 5. Ein Anspruch auf diesen Rabatt besteht jedoch ab 1.1.2004, wenn es der Versandapotheke gelungen ist, mit den deutschen Krankenkassen Verträge nach § 140e SGB 5 abzuschließen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.12.2009; Aktenzeichen B 3 KR 14/08 R)

 

Tenor

I.

Die Beklagte wird unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Dresden vom 27. Januar 2005 dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2004 sowie für die Zeit vom 01. Oktober 2005 bis 31. Dezember 2005 die Abschläge auf den Herstellerabgabepreis gemäß § 130 a Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch zu erstatten, die gesetzliche Krankenkassen, zwischen denen und der Klägerin ein Vertrag nach § 140 e Fünftes Buch Sozialgesetzbuch im Zeitpunkt der Arzneimittelabgabe bestanden hat, von der Klägerin erhalten haben.

II.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

IV.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt nach § 130 a Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für die Zeit vom 01.01.2003 bis 31.12.2004 sowie vom 01.10.2005 bis 31.12.2005 von der Beklagten die Erstattung des von der Klägerin den Krankenkassen nach § 130 a Abs. 1 Satz 1 SGB V gewährten Rabatts (Herstellerrabatt; Abschlag auf das abgegebene Arzneimittel).

Die Klägerin ist eine in den N zugelassene Apotheke, zunächst mit Sitz in L und jetzt in H, N. Sie erhielt im September 2000 eine Apothekenbetriebserlaubnis. Es handelt sich um eine Vollsortiment-Apotheke, die Medikamente in ihren Geschäftsräumen anbietet, hauptsächlich aber Arzneimittel auf Bestellung über Fernkommunikationsmittel (Post, Telefon, Internet) per Kurierdienst an die Kunden übermittelt. Die Klägerin beliefert ihre nach bundesdeutschem Recht gesetzlich krankenversicherten Kunden auch mit den von der Beklagten hergestellten Arzneimitteln. Die Klägerin ist nicht Mitglied des Deutschen Apothekenverbandes e. V. und nimmt nicht an nach § 130 a Abs. 5 und 6 SGB V vereinbarten Abrechnungsverfahren teil, insbesondere nicht an dem zwischen dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller e. V., dem Bundesverband der pharmazeutischen Industrie e. V., dem Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e. V. und dem Deutschen Generikaverband e. V. einerseits sowie dem Deutschen Apothekerverband e. V. andererseits geschlossenen Rahmenvertrag. Die zur Abrechnung mit den Krankenkassen nach § 300 SGB V relevanten Daten übermittelt für die Klägerin eine in Deutschland ansässige private Abrechnungsstelle. Zugleich übermittelt diese Abrechnungsstelle den pharmazeutischen Unternehmen die Pharmazentralnummer (PZN) der abgegebenen Arzneimittel sowie deren Abgabedatum und die weiteren nach § 300 SGB V geforderten Daten maschinenlesbar. Die tatsächliche Abrechnung erfolgte in den streitigen Zeiträumen direkt mit den jeweiligen Krankenkassen. Die gesetzlich Krankenversicherten zahlten - auch vor dem 01.01.2004 - nicht tatsächlich die ihnen vertragsärztlich verordneten Arzneimittel. Bei der Abrechnung behielten die deutschen gesetzlichen Krankenkassen je abgegebenem Arzneimittel auch einen Abschlag auf den jeweiligen Herstellerabgabepreis als Rabatt ein.

Die nach § 130 a Abs. 1 Satz 2 SGB V den Apotheken zur Erstattung des Abschlags verpflichteten pharmazeutischen Unternehmen, hierunter auch die Beklagte, weigern sich, der Klägerin die von deren Abrechnungsstelle gemeldeten Abschläge zu erstatten. Insoweit besteht Streit, ob § 130 a Abs. 1 Satz 2 SGB V auf die Arzneimittelabgaben der Klägerin an nach dem SGB V gesetzlich Krankenversicherte anwendbar ist. Deswegen hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Dresden (SG) am 22.12.2003 Klage auf Zahlung von - zunächst - 4.127,13 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab Rechtshängigkeit erhoben.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, maßgebliche Anspruchsgrundlage sei § 130 a Abs. 1 Satz 2 SGB V, wobei von dieser Vorschrift auch EU-ausländische Apotheken erfasst würden. Auch das bis zum 31.12.2003 bestehende Versandhandelsverbot von Arzneimitteln innerhalb Deutschlands (§ 43 Abs. 1 in der Bekanntmachung der Neufassung des Arzneimittelgesetzes vom 11.12.1998 - BGBl I S. 3586 - (AMG a. F.)) schließe die erhobene Forderung nicht aus, da diese Vorschrift wegen des Vorrangs entgegenstehenden Gemeinschaftsrechts (hier: die in Art. 28, 30 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (konsolidierte Fassung), Amtsblatt Nr. C 325 vom 24.12.2002 - EG-Vertrag (EGV) - normierte Warenverkehrsfreiheit) nicht angewendet werden dürfe. Dies habe nunmehr das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 1...

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