Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer auf eine Herstellungspauschale. Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Rechtsgrund. Nettopreisvereinbarung. Steuerfestsetzung durch das Finanzamt. Abrechnungszentrum. Unechtes Factoring. Passivlegitimation. Schadensersatz. Rechtsschutzbedürfnis. Verjährungsverzicht. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 3 KR 1/18 R
Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Stuttgart vom 16.1.2018 - L 11 KR 1723/17, das vollständig dokumentiert ist.
Normenkette
SGB V § 69 Abs. 1 S. 2, § 300 Abs. 2; UStG § 14c; BGB § 812 Abs. 1 S. 1, §§ 280, 134, 242; StGB § 203 Abs. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.11.2016 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 1.319,36 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückzahlung der auf die Herstellungspauschale entfallenden Umsatzsteuer in Höhe von 1.319,36 €, welche von der Klägerin für im Jahr 2010 individuell hergestellte und an Versicherte der Klägerin verabreichte Arzneimittel und Arzneimittelzubereitungen gezahlt wurde.
Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse. Die Beklagte ist Trägerin eines zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Krankenhauses mit angeschlossener Krankenhausapotheke.
Zwischen den Beteiligten galt im Jahr 2010 eine Vereinbarung über die Abgabe von Arzneimitteln durch die Krankenhausapotheke der Beklagten an Versicherte der Klägerin vom 16.06.2004 (im Folgenden: Arzneimittelpreisvereinbarung), die auszugsweise wie folgt lautet:
§ 5 Preisvereinbarung über Arzneimittel
(1) Grundlage der Preisberechnung ist der für den Tag der Abgabe in der Großen Deutschen Spezialitätentaxe (Lauer-Taxe) geltende Apothekeneinkaufpreis.
(2) Die Krankenkassen tragen Kosten in folgender Höhe:
- Zubereitungen:
Lauer-Einkaufspreis -2% für die Zubereitungsbestandteile + Herstellungspauschale iHv 16 €
(…)
(3) Die gem Abs 2 ermittelnden Beträge erhöhen sich um den jeweils geltenden Mehrwertsteuersatz.
In Fußnote 3 zu Abs. 3 heißt es: Ist die Abgabe durch die Krankenhausapotheke nicht umsatzsteuerpflichtig, so ist wegen der fehlenden Möglichkeit des Vorsteuerabzuges die Umsatzsteuer fiktiv aufzuschlagen. Dies gilt nicht hinsichtlich der Herstellungspauschale.
§ 7 Beanstandungen
(1) Eine rechnerische oder sachliche Beanstandung kann von beiden Seiten nur innerhalb einer Frist von 12 Monaten nach Ende des Kalendermonats, in dem die Rechnungsstellung erfolgte, geltend gemacht werden.
(2) (…)
Die Beklagte verabreichte auf Grundlage dieser Vereinbarung im Jahr 2010 im Rahmen von ambulanten ärztlichen Heilbehandlungen an Versicherte der Klägerin individuell hergestellte Arzneimittel bzw Arzneimittelzubereitungen. Aufgrund eines Abrechnungsvertrags aus dem Jahr 2004 zwischen der Beklagten und dem Apotheken- und Ärzte Abrechnungs-Zentrum Dr. G. (im Folgenden: Abrechnungszentrum) erfolgte die Rechnungstellung gegenüber der Klägerin durch dieses unter Offenlegung der erfolgten Forderungsabtretung. Die Rechnungen enthielten Bruttobeträge ohne gesonderten Ausweis der auf sämtliche Leistungsbestandteile einschließlich der Herstellungspauschalen berechneten Umsatzsteuer und wurden von der Klägerin an das Abrechnungszentrum bezahlt.
Die Beklagte gab am 25.02.2012 die Umsatzsteueranmeldung für 2010 ab. Hierbei erklärte und zahlte sie auch auf die Herstellungspauschalen Umsatzsteuer. Das Finanzamt K.-S. stimmte mit Bescheid vom 14.08.2012 der Umsatzsteuererklärung zu, die damit einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstand (§ 164 Abgabenordnung (AO)).
Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied mit Urteil vom 24.09.2014 (V R 19/11, BStBl II 2016 S 781), dass die Verabreichung von Zytostatika im Rahmen einer ambulant im Krankenhaus durchgeführten ärztlichen Heilbehandlung, die individuell für den einzelnen Patienten in einer Apotheke im Krankenhaus hergestellt werden, als ein mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz steuerfrei sei.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) legte hierzu ergänzend in seiner Umsetzungsempfehlung bezüglich der Umsatzsteuerbefreiung für die Abgabe von Zytostatika im Rahmen ambulanter Krebserkrankungen (BStBl I 2016, S 1043), die es am 28.09.2016 veröffentlichte, dar, dass die Grundsätze des Urteils des BFH sowohl auf Zubereitungen Anwendungen fänden, die im Rahmen einer Krebstherapie verwendet werden, als auch auf andere Arzneimittel, die wie Zytostatika-Zubereitungen individuell für den Patienten hergestellt würden. Die Abgabe von individuell für den Patienten hergestellten Arzneimitteln durch die Krankenhausapotheke sei danach für eine in diesem Krankenhaus erbrachte ärztliche Heilbehandlung in allen offenen Fällen als umsatzsteuerfrei zu behandeln. Des Weiteren würden danach Umsätze, die vor dem 01.04.2017 au...