Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Sperrzeit. Arbeitsaufgabe. Aufhebungsvertrag. wichtiger Grund. drohende sozial gerechtfertigte Arbeitgeberkündigung. Abfindung. Verzicht auf Rechtmäßigkeitsprüfung der Kündigung im Hinblick auf § 1a KSchG. keine Manipulation
Leitsatz (amtlich)
Ein Arbeitsloser kann sich im Falle der Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses im Wege eines Aufhebungsvertrages wegen betriebsbedingter Gründe, der die Gewährung einer Abfindung beinhaltet, dann auf einen wichtigen Grund iS von § 144 Abs 1 S 1 SGB 3 berufen, wenn die Höhe der gewährten Abfindung den sich aus § 1a Abs 2 KSchG ergebenden Betrag nicht überschreitet und keine Hinweise darauf vorliegen, dass mit dem Aufhebungsvertrag zu Lasten der Versichertengemeinschaft manipuliert werden sollte.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. Dezember 2008 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass auch der “Änderungsbescheid„ der Beklagten vom 16. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2006 abgeändert und die Beklagte verpflichtet wird, der Klägerin bereits ab dem 01. Dezember 2005 Arbeitslosengeld mit ungekürzter Anspruchsdauer zu bewilligen.
Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Arbeitslosengeld in der Zeit vom 01.12.2005 bis 22.02.2006 wegen des Eintritts einer Sperrzeit ruht.
Bei der am … 1947 geborenen ledigen Klägerin besteht ein Grad der Behinderung (GdB) von 50. Sie war vom 01.04.1966 bis 30.11.2005 bei der I... Verpackungstechnik GmbH (I... GmbH), A., als Sachbearbeiterin/Sekretärin versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 01.11.2004 bis 31.10.2005 bezog sie ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt i.H.v. 47.552,05 €, wobei auf den Oktober 2005 ein Betrag von 3.699,86 € entfiel, in dem beitragspflichtige Einmalzahlungen i.H.v. 132,77 € enthalten waren. Am 10.05.2004 schlossen die I... GmbH und die Klägerin einen Aufhebungsvertrag, nach dem das bestehende Arbeitsverhältnis “auf Veranlassung des Unternehmens zur Vermeidung einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung unter Einhaltung der tariflichen bzw. einzelvertraglichen Kündigungsfristen zum 30.11.2005 beendet„ wurde. Der Arbeitsplatz sei infolge von Umstrukturierungsmaßnahmen ersatzlos weggefallen, ein anderer Arbeitsplatz stehe nicht zur Verfügung, da die Einsatzmöglichkeiten der Klägerin aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen begrenzt seien. Zum Ausgleich für den Verlust des sozialen Besitzstandes gewährte die I... GmbH der Klägerin eine Abfindung i.H.v. 47.000,- €.
Am 05.10.2005 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten, nach dem sie sich zuvor am 17.05.2005 arbeitssuchend gemeldet hat, arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Im Rahmen der von der I... GmbH vorgelegten Arbeitsbescheinigung wurde durch diese mitgeteilt, dass eine Kündigungsfrist von 18 Monaten gegolten habe. Die Klägerin legte mit ihrer Arbeitslosmeldung eine Bescheinigung der I... GmbH vom 16.11.2004 vor, in welcher der Klägerin bestätigt wird, dass sie entsprechend der Sozialauswahl gekündigt worden wäre, wenn sie den Aufhebungsvertrag nicht unterschrieben hätte. Eine Sozialauswahl sei entsprechend § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) durchgeführt worden. Die Klägerin gab im Rahmen des Fragebogens zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses an, das bestehende Arbeitsverhältnis sei auf Veranlassung des Unternehmens zur Vermeidung einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung unter Einhaltung der Fristen beendet worden, da der Arbeitsplatz ersatzlos weggefallen sei.
Mit Bescheid vom 11.11.2005 stellte die Beklagte fest, dass vom 01.12.2005 bis 22.02.2006 eine Sperrzeit eingetreten sei und der Anspruch auf Arbeitslosengeld während dieser Zeit ruhe. Die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis bei der I... GmbH durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst. Dabei sei unerheblich, ob die Initiative zum Abschluss des Aufhebungsvertrages von der Klägerin oder dem ehemaligen Arbeitgeber ausgegangen sei. Die Klägerin habe voraussehen müssen, dass sie arbeitslos werden würde. Einen wichtigen Grund habe die Klägerin nicht mitgeteilt. Die Sperrzeit dauere 12 Wochen. Sie mindere den Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld um 240 Tage, ein Viertel der Anspruchsdauer.
Zur Begründung ihres hiergegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, sie habe mehrmals bei der Agentur für Arbeit Karlsruhe vorgesprochen, wobei ihr mitgeteilt worden sei, dass bei dem geschlossenen Aufhebungsvertrag sämtliche Fristen eingehalten seien und der Zahlung von Arbeitslosengeld ab dem 01.12.2005 nichts im Wege stehe. Die ihr sodann telefonisch erteilte Auskunft, sie habe den Aufhebungsvertrag nicht unterschreiben dürfen, weil sie wegen ...