Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. stationäre Unterbringung in einem Diabeteszentrum wegen Unfähigkeit zu einem altersgerechten Diabetesmanagement. Abgrenzung zwischen medizinischer und sozialer Rehabilitation. wesentliche Behinderung. körperliche Behinderung. Diabetes mellitus Typ I. seelische Behinderung. ADHS. Verhältnis zur Kinder- und Jugendhilfe
Leitsatz (amtlich)
Zum Verhältnis von § 53 SGB XII zu § 10 SGB VIII bei einer vollstationären Unterbringung im Diabeteszentrum im Rahmen einer Eingliederungshilfe bei seelischer Behinderung.
Orientierungssatz
Für die Abgrenzung zwischen medizinischer und sozialer Rehabilitation ist der Leistungszweck entscheidend. Es muss daher geprüft werden, ob die Therapie direkt an der Behandlung einer behinderungsbedingten Störung ansetzt oder unmittelbar die sozialen Folgen einer Behinderung beseitigen bzw mildern soll.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11. Januar 2019 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Tatbestand
Streitig ist die Übernahme von Kosten für eine ab 11.01.2019 bis zum Ende des Schuljahres 2018/2019 durchgeführte vollstationäre Unterbringung des Klägers im CJD Diabeteszentrum B.
Der.2004 geborene Kläger leidet seit seinem ersten Lebensjahr an Diabetes Typ I. Daneben ist ein ADHS-Syndrom festgestellt worden. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung von 50 und das Merkzeichen H festgestellt. Zur Behandlung des Diabetes Typ I verfügt der Kläger über eine Insulinpumpe. Er besuchte zunächst die Gemeinschaftsschule Eschule in C.
Am 26.01.2017 wurde für den Kläger beim Beklagten die Gewährung von Eingliederungshilfe für die vollstationäre Unterbringung des Klägers im CJD B beantragt. Begründet wurde dieser Antrag damit, dass der Kläger nach wie vor große Probleme mit dem Umgang und der Akzeptanz seiner Erkrankung habe, obwohl er bereits über das Oklinikum A, wo die Behandlung des Klägers seit Anfang an erfolge, viele Schulungsmaßnahmen und sonstige stationäre Aufenthalte stattgefunden hätten. Die gut eingestellten Blutzuckerwerte nach den stationären Aufenthalten könne der Kläger im Alltag leider nie aufrechterhalten. Der Kläger sei nach wie vor nicht in der Lage, seinen Diabetes eigenverantwortlich, in einem Maße, wie man es in seinem Alter erwarten könne, zu managen. Sowohl in der Schule, wo er unter der Woche auch das Mittagessen einnehme, als auch zu Hause, sei er nicht in der Lage die Kohlenhydrateinheiten der Mahlzeiten selbständig zu ermitteln und dann die notwendige Insulinmenge über seine Insulinpumpe zu „bolen“. Er benötige hierfür die Unterstützung/ Kontrolle durch die Eltern/ Lehrer.
Der Beklagte zog daraufhin den Lernentwicklungsbericht der Eschule über das Schuljahr 2016/2017 bei. Hieraus ergibt sich, dass die Noten des Klägers in den Fächern Deutsch, Geschichte, Biologie, Bildende Kunst und Musik bei 2 sowie in den Fächern Mathematik, Englisch, Geographie und Sport bei 3 lagen. Der Klassenlehrer des Klägers teilte mit Schreiben vom 07.02.2017 mit, dass der Kläger aufgrund seiner Erkrankung ein schüchterner, zurückhaltender Junge sei, der mit seiner Krankheit aus seiner Sicht gut umzugehen wisse. Der Kläger messe zu Beginn der großen Pause seine Werte eigenverantwortlich und es sei hierbei bisher auch noch zu keinen Zwischenfällen gekommen. Der Kläger könne nicht an allen Aktivitäten im gleichen Maße wie seine Mitschüler teilnehmen. Sein sportliches Leistungsvermögen sei stark eingeschränkt, aber nicht die Leistungsfähigkeit in anderen Fächern. Dass er nicht mit ins Schullandheim könne, nage sehr an ihm. Er fühle sich in einer Außenseiterrolle, was auch dadurch verstärkt werde, dass er nicht am Schulort wohne. Der Kontakt mit Kindern und Jugendlichen mit ähnlichen gesundheitlichen Einschränkungen würde ihm sicher gut tun.
Der Beklagt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28.02.2017 ab. Der Kläger gehöre nicht zum Personenkreis des § 53 SGB XII, da zusätzlich zur wesentlichen bzw. drohenden Behinderung, die beim Kläger wohl vorliege, eine Teilhabeeinschränkung gegeben sein müsse. Dies sei hier nicht der Fall. Es bestehe kein Bedarf an Eingliederungshilfe im Rahmen der angemessenen Schulbildung, da der Kläger auch ohne Unterstützung das Bildungsziel erreichen könne. Er könne sich nach den Angaben der Schule in den Schulalltag integrieren. Soweit der Kläger an Aktivitäten wie z.B. dem Schullandheimaufenthalt bislang nicht teilnehmen könne, sei man bereit hierfür Unterstützungsmaßnahmen zu prüfen.
Hiergegen legten die Eltern des Klägers am 22.03.2017 Widerspruch ein und trugen vor, dass die notfallmäßigen Behandlungen des Klägers im Krankenhaus aufgrund überhöhter Zuckerwerte zugenommen hätten. Sie entwickelten sich in eine dramatische Richtung. Dies bekomme die Schule nicht mit. Man sei durch die ständige Sorge um den Kläger auch als Familie am Limit....