Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsschutzbedürfnis. keine Klagebefugnis der Arbeitnehmer. Massenentlassungsverfahren. Anzeigepflicht. Entlassungssperre. Zustimmung durch die Bundesagentur für Arbeit. Massenentlassungsrichtlinie
Orientierungssatz
Ein Arbeitnehmer kann weder aus der Richtlinie des Rates 98/59/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Massenentlassungen vom 20.7.1998 (juris: EGRL 59/98) individuelle Rechte herleiten noch begründen die §§ 17ff KSchG klagfähige Rechte gegen die Bundesagentur für Arbeit für die Arbeitnehmer, die von der anzeigepflichtigen Massenentlassung betroffen sind, da diese Vorschriften nicht drittschützend sind.
Tenor
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Im vorliegenden Verfahren macht die Klägerin die Aufhebung des an die Beigeladene, die F. B. GmbH, gerichteten Bescheides vom 11.12.2006 hinsichtlich einer Entlassungssperre nach § 18 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sowie die Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 26.03.2007 geltend.
Die 1944 geborene Klägerin war seit dem 29.08.1989 bei der Beigeladenen in deren Niederlassung B. versicherungspflichtig beschäftigt. Diese hatte sich entschlossen, die Niederlassung B. wesentlich zu verkleinern. In einem zwischen der Beigeladenen und dem Betriebsrat der Niederlassung B. geschlossenen Interessenausgleich vom 18.10.2006 wurde vereinbart, die gesamte Produktion einschließlich der Mischerei und der Arbeitsplätze in K. in mehreren Schritten bis zum 30.06.2007 stillzulegen. Die 146 in der Produktion beschäftigten Arbeitnehmer sollten mit Wirkung zum 30.06.2007 entlassen werden. Ebenso sollten die 12 Arbeitsplätze und der Ausbildungsplatz in der allgemeinen Verwaltung ersatzlos entfallen. Den in der Produktions- und Materialentwicklung in B. beschäftigten 10 ungekündigt und unbefristet Beschäftigten sollte die Möglichkeit geboten werden, ihr Arbeitsverhältnis in der Niederlassung B. fortzusetzen.
Am 20.11.2006 teilte die Beigeladene der Beklagten mit, dass sie zur Umsetzung der geplanten Betriebsschließung eine Massenentlassung beabsichtige. Beigefügt war die vom Betriebsratsvorsitzenden am 15.11.2006 unterschriebene Unterrichtung des Betriebsrats über die beabsichtigte Massenentlassung (§ 17 Abs. 2 KSchG) durch den Arbeitgeber.
Am 27.11.2006 zeigte die Beigeladene der Beklagten die beabsichtigte Entlassung von 157 Mitarbeitern an, darunter die Klägerin. Die Beigeladene beantragte hierbei, die Kündigungssperre nach § 18 Abs. 1 KSchG zu verkürzen, weil sie die betroffenen Arbeitnehmer längstens bis zum 30.06.2007 beschäftigen könne. Der Anzeige waren u.a. Erläuterungen zu den betroffenen Arbeitnehmern sowie Betriebsvereinbarungen zwischen der Beigeladenen und dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und der Sozialplan für die betroffenen Arbeitnehmer vom 18.10.2006 beigefügt.
Mit an die Beigeladene gerichtetem Bescheid vom 11.12.2006 verfügte die Beklagte eine Entlassungssperre gemäß § 18 Abs. 1 KSchG für die 157 Arbeitnehmer vom 28.11.2006 bis 27.12.2006 und teilte weiter mit, damit könnten die beabsichtigten Entlassungen gemäß der Anzeige vom 27.11.2006 erfolgen. Dem Antrag auf Verkürzung der Entlassungssperre werde nicht zugestimmt, da für diese Anzeige eine Verkürzung der Entlassungssperre nicht erforderlich sei.
Hiergegen legte die Klägerin am 05.01.2007 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2007 als unzulässig abwies. Zur Begründung führte sie aus, der Bescheid vom 11.12.2006 sei nicht an die Klägerin, sondern an deren Arbeitgeber gerichtet. Er enthalte keine eigenständige Regelung gegenüber der Klägerin.
Hiergegen hat diese am 25.04.2007 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie hat vorgetragen, eine fehlerhafte Entscheidung der Beklagten entfalte Drittwirkung, da ihr Tatbestandswirkung im Kündigungsschutzprozess zukomme. Unter Berücksichtigung des in § 20 Abs. 4 KSchG angesprochenen Interesses der betroffenen Arbeitnehmer, ihrer Berührtheit im Sinne des § 12 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und der im Sinne des Artikel 2 Abs. 2 Richtlinie 98/59 EG auf das Massenentlassungsverfahren anzuwendende Schutznormtheorie sei ihre Aktivlegimitation zu bejahen. Denn die Rechtsvorschrift des § 18 KSchG diene auch dem Schutz ihrer Individualinteressen.
Sie sei auch in ihren Rechten verletzt, da das Konsultationsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Die Beklagte habe das Konsultationsverfahren nicht eingehalten, da nicht dargelegt worden sei, was zur Vermeidung oder Minimierung von Kündigungen von den Betriebsparteien in Betracht gezogen und erwogen worden sei. Deshalb sei die Massenentlassungsanzeige fehlerhaft und die angefochtene Entscheidung rechtswidrig.
Das SG hat mit Beschluss vom 21.06.2007 den Arbeitgeber beigeladen und mit Urteil vom 26.02.2008 die Klage al...