Entscheidungsstichwort (Thema)
Absenkung des Arbeitslosengeld II. Sanktionsbescheid. Aufgabe einer Beschäftigung. Anwendung des § 31 Abs 1 Nr 1 Buchst c SGB 2 oder § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst b SGB 2. kein Auffangtatbestand
Orientierungssatz
1. Das Arbeitslosengeld II darf wegen der Aufgabe einer zumutbaren Arbeit nicht auf der Rechtsgrundlage des § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst b SGB 2 iVm der Sperrzeitregelung des § 144 SGB 3 abgesenkt werden, wenn die Voraussetzungen für eine Absenkung nach § 31 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst c SGB 2 nur deshalb nicht vorliegen, weil keine Rechtsfolgenbelehrung erteilt wurde.
2. § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst b SGB 2 kann keinen Auffangtatbestand darstellen. Die Vorschrift soll nur Obliegenheitsverletzungen erfassen, die zeitlich dem Bezug von Arbeitslosengeld II vorgelagert sind. Eine Pflichtverletzung, die - wie im vorliegenden Fall - während des Bezugs von Arbeitslosengeld II erfolgt, wird nur über § 31 Abs 1 SGB 2 sanktioniert.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtliche Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Sanktionsbescheid.
Der 1953 geborene Kläger bezog bis zum 02.07.2006 Arbeitslosengeld und zusätzlich ab 23.01.2006 Arbeitslosengeld II (Alg II). Für den Zeitraum 01.08.2006 bis 31.01.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 03.08.2006 zunächst Leistungen in Höhe von 692,20 € (Regelleistung 345 €; Kosten der Unterkunft (KdU) 347,20 €). Nachdem der Kläger Nebeneinkommensbescheinigungen der Firma D in G in Höhe von monatlich 165 € ab März 2006 vorgelegt hatte, hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.04.2006 bis 30.09.2006 in Höhe von monatlich 52 € teilweise auf und forderte die Erstattung eines Betrags in Höhe von 312 € (Bescheid vom 19.09.2006).
Am 19.12.2006 erfuhr die Beklagte ausweislich eines am selben Tag erstellten Vermerks von einem Mitarbeiter der Firma M in E, dass der Kläger dort seit 01.12.2006 als Thekenkraft in Vollzeit arbeitet. Die Firma M kündigte das Arbeitsverhältnis am 15.01.2007 zunächst zum 30.01.2007 und am 23.01.2007 fristlos. Für den Monat Dezember 2006 wurden dem Kläger im Dezember 2006 1400 € ausbezahlt. Für den Monat Januar 2007 erhielt er am 12.03.2007 einen Betrag in Höhe von 636,68 €.
Am 08.02.2007 stellte der Kläger einen Antrag auf Fortzahlung des Alg II. Im Fragebogen zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses verneinte er ein arbeitsvertragswidriges Verhalten; die Kündigung sei wegen Krankheit erfolgt. Ein Mitarbeiter der Firma M teilte der Beklagten telefonisch mit, der Kläger habe die Arbeit nach einer Erkrankung nicht mehr aufgenommen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe er erst nach zwei Wochen Fehlzeit vorgelegt. Die Kündigung sei erfolgt, weil eine Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrages aufgrund der Unzuverlässigkeit des Klägers unmöglich erscheine. Ergänzend teilte die Firma M der Beklagten mit, dass sich die Arbeitsauffassung des Klägers nicht mit ihren Erwartungen decke. Sie seien von Gästen mehrfach auf seinen unfreundlichen Ton angesprochen worden. Er habe sein Verhalten auch nach Aufforderung immer nur sehr kurz geändert.
Mit Bescheid vom 09.05.2007 hob die Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.12. bis 31.12.2006 in Höhe von insgesamt 633,38 € aufgrund des Zuflusses des Lohnes für den Monat Dezember 2006 im Monat Dezember 2006 teilweise auf. Sie forderte die Erstattung eines Betrags in Höhe von 581,38 €, ein Betrag in Höhe von 52 € wurde mit einer Nachzahlung verrechnet. Mit weiterem Bescheid vom 09.05.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 08.02.2007 bis 28.02.2007 in Höhe von 484,54 €. Mit Aufhebungsbescheid ebenfalls vom 09.05.2007 hob die Beklagte die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 01.03. bis 31.03.2007 ganz auf, da durch den Zufluss des im Monat März 2007 erzielten Einkommens für den Monat Januar 2007 das Einkommen den Gesamtbedarf überstiegen habe.
Mit Bescheid vom 09.05.2007 teilte die Beklagte dem Kläger außerdem mit, der ihm zustehende Anteil des Alg II werde für die Zeit vom 01.06.2007 bis 31.08.2007 um 30 v. H. der Regelleistung, höchstens jedoch in Höhe des ihm zustehenden Gesamtauszahlungsbetrages, abgesenkt. Daraus ergebe sich eine Absenkung in Höhe von maximal 104 € monatlich. Die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung werde ab 01.06.2007 gemäß § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Kläger habe sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen geweigert, eine nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II zumutbare Arbeit auszuführen. Sanktionsnorm sei § 31 Abs. 1 Nr. 1 d SGB II.
Mit weiterem Bescheid vom 09.05.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die ...