Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Unterkunft und Heizung. tatsächliche Aufwendung. Wirksamkeit eines Mietvertrags unter Verwandten. Vermietung des ehemaligen Kinderzimmers an das volljährige Kind. fehlender rechtlicher Bindungswille
Leitsatz (amtlich)
Kein Anspruch eines volljährigen behinderten Hilfeempfängers, der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bezieht, auf Übernahme von Kosten der Unterkunft im Haus der Eltern (§§ 42 Nr 4, 35 SGB 12). Der zwischen den Eltern und dem Sohn durch seinen Ergänzungsbetreuer geschlossene Mietvertrag ist als Scheingeschäft (§ 117 BGB) zu bewerten, weil kein ernsthaftes Mietverlangen besteht.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Dezember 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig sind Leistungen für Unterkunft und Heizung im Rahmen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII für die Zeit vom 1.7.2012 bis 30.6.2013 für Mietzahlungen an die Eltern des Klägers i.H.v. 202,75 € monatlich.
Der 1990 geborene Kläger kam mit einem Gendefekt - Down-Syndrom - zur Welt. Bei ihm sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Nachteilsausgleiche “G„ und “H„ anerkannt. Seit seiner Geburt lebt er mit seinen erwerbsfähigen und nicht hilfebedürftigen Eltern sowie im streitigen Zeitraum mit seiner Schwester in einem gemeinsamen Haushalt. Die Familie wohnt in einem Einfamilienhaus in XXX K. mit einer Wohnfläche von 120 qm, das im Eigentum der Eltern des Klägers steht. Die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) wurden für den 4-Personen-Haushalt mit gesamt 820,20 € monatlich angegeben (Zinsleistungen 466,07 €, Nebenkosten 234,13 €, Heizkosten 120 € inkl. 20 € für die Warmwasserbereitung) und werden von den Eltern des Klägers getragen.
Der Kläger erhielt vom Beklagten Leistungen der Eingliederungshilfe (nach §§ 53 ff SGB XII Übernahme der Kosten für die Förder- und Betreuungszeiten bei der Lebenshilfe, Bescheid vom 02.12.2009; Bl. 43 VA).
Am 25.7.2012 beantragte er vertreten durch seine Mutter, die seine alleinvertretungsberechtigte Betreuerin ist (Bl. 87 VA), bei dem Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII.
Mit Schreiben vom 13.8.2012 wies der Beklagte die Eltern des Klägers darauf hin, dass KdUH nicht übernommen werden könnten, wenn tatsächliche Aufwendungen hierfür wie bei dem Kläger nicht anfielen.
Die Mutter des Klägers teilte diese Auffassung nicht (Schreiben vom 22.8.2012). Der Kläger habe bisher lediglich mangels Grundsicherungsleistungen und wegen seiner Mittellosigkeit keine KdUH übernehmen können. Dies könne jedoch kein Grund sein, entsprechende Grundsicherungsleistungen nicht zu übernehmen. Schließlich wohne der Kläger bei seinen Eltern und Wohnkosten entstünden auch tatsächlich. Sofern nötig könne auch ein Mietvertrag mit dem Kläger abgeschlossen werden.
Ab 1.9.2012 nahm der Kläger im Rahmen einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben an einer 2-jährigen Maßnahme im Eingangsverfahren/Berufsbildungsbereich der Lebenshilfe P. E. e. V. teil. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) bewilligte ihm hierfür ein monatliches Ausbildungsgeld von 63,- € im ersten und 75,- € im zweiten Ausbildungsjahr (zuzüglich an den Träger überwiesener Maßnahmekosten sowie Reisekosten des Klägers; Bescheid vom 1.8.2012, Bl. 35 VA). Über weiteres Einkommen oder Vermögen verfügt der Kläger nicht, das Kindergeld wird nicht an ihn weitergeleitet.
Der Beklagte wandte sich mit Schreiben vom 27.8.2012 mit einem Ersuchen nach § 45 SGB XII an den Rentenversicherungsträger (DRV) zur Prüfung des Vorliegens von Erwerbsunfähigkeit (Bl. 75 VA). Die DRV teilte später mit Schreiben vom 25.10.2012 mit, dass der Kläger unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage ab 1.1.2003 voll erwerbsgemindert sei und es unwahrscheinlich sei, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden könne (hinterer Aktenteil der VA nach grünem Aktenübersichtsblatt).
Der Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 3.9.2012 darauf hin, dass die Übernahme der KdUH nicht beabsichtigt sei, da diese Kosten gemäß den Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14.4.2011 (B 8 SO 18/09 R) und vom 25.8.2011 (B 8 SO 29/10 R) einen rechtswidrigen Bedarf darstellten. Es sei nur die Berücksichtigung tatsächlich anfallender Kosten möglich.
Mit Bescheid vom 11.9.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII i.H.v. 349,83 € monatlich für die Zeit vom 1.7.2012 bis zum 30.6.2013 vorläufig (Regelbedarf der Stufe III, Mehrbedarf Merkmal “G„). Die Übernahme der KdUH lehnte er ab, da dem Kläger tatsächlich keine Unterkunftskosten entstünden, sondern die Eltern sämtliche Hauskosten tragen würden.
Dagegen legte der Kläger hinsichtlich der Ablehnung der KdUH am 5.10.2012 Widerspruch ein und bat um Abwarten bis zur Vorla...