Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen Todes. Witwenrente. Bestätigung der widerlegbaren Vermutung. Versorgungsehe. kurze Ehedauer. lebensbedrohliche Erkrankung
Leitsatz (amtlich)
1. Leidet ein Versicherter zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Erkrankung, ist der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB 6 idR nicht erfüllt.
2. Wird die Ehe nach Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung auch aus erbrechtlichen und steuerrechtlichen Gründen eingegangen, spricht dies nicht gegen, sondern für eine Versorgungsehe.
Orientierungssatz
Auch wenn ein Versicherter zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidet und der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB 6 idR hierdurch nicht erfüllt ist, kann die Versorgungsvermutung dennoch wiederlegt werden. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen inneren und äußeren Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 28.07.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Im Streit steht die Gewährung einer Witwenrente aus der Versicherung des verstorbenen A. T. (im Folgenden: Versicherter).
Die 1957 geborene Klägerin hatte den Versicherten nach ihren eigenen Angaben im Alter von 18 Jahren kennengelernt und lebte mit ihm seit 1980 in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Am 30.05.1981 wurde der Sohn, S. A. (im Folgenden: Zeuge A), geboren. Im gemeinsamen Haushalt lebte außerdem die Tochter der Klägerin, S. (im Folgenden: Zeugin S). Die Klägerin betreibt seit 1988 ein Autohaus.
Der 1945 in Tunesien geborene Versicherte hatte drei weitere Kinder, die bei ihren Müttern aufwuchsen. Er war im Autohaus der Klägerin beschäftigt. Wegen allgemeiner Mattigkeit und Atemnot suchte er im Juli 2006 seinen Hausarzt Dr. K. auf. Am 11.07.2006 wurde der Versicherte wegen starker Atemnot und Schmerzsymptomatik stationär aufgenommen. Dort wurde nach invasiver Diagnostik am 26.07.2006 ein kleinzelliges Bronchialkarzinom mit ausgeprägter Pleurakarzinose festgestellt (Tumorstadium T4 Nx M1). Der Versicherte wurde während seines Krankenhausaufenthalts vom 21.07. bis 02.08.2006 über den histologischen Befund eingehend informiert. Im Anschluss erfolgte eine ambulante Chemotherapie (insgesamt drei Zyklen vom 07.08.2006 bis 08.10.2006). Eine operative Behandlung mit der Zielsetzung einer Heilung war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich.
Am 10.10.2006 heirateten die Klägerin und der Versicherte. Mit Testament vom 24.10.2006 setzte der Versicherte die Klägerin als Alleinerbin ein. Wegen zunehmender Schmerzen begab sich der Versicherte am 03.11.2006 erneut in stationäre Behandlung, bei der eine Tumorprogression festgestellt wurde. Die Chemotherapie wurde sodann in veränderter Form fortgesetzt. Am 06.11.2006 beantragte der Versicherte bei der Beklagten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Der Antrag wurde in einen Rentenantrag umgedeutet. Die Beklagte bewilligte sodann eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.11.2006.
Nach einer weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Versicherten im Januar 2007 erfolgte eine Umstellung der Therapie in eine palliative Chemotherapie. Am 22.02.2007 verstarb der Versicherte.
Unter dem 20.04.2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres Ehemannes. Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 06.06.2007 den Antrag der Klägerin ab. Es sei davon auszugehen, dass es sich um eine Versorgungsehe handele, da die tödlichen Folgen der Erkrankung des Versicherten bei der Eheschließung zu erwarten gewesen seien. Hiergegen legte die Klägerin am 19.06.2007 Widerspruch mit der Begründung ein, es habe sich nicht um eine Versorgungsehe gehandelt, da sie mit dem Versicherten einen volljährigen Sohn und seit über 25 Jahren in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt habe. Sie hätten vor vielen Jahren ein Wohnhaus gemeinsam erworben und schon seit längerer Zeit geplant zu heiraten. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 04.10.2007 hat die Klägerin beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Klägerin und der Versicherte hätten vor der Hochzeit schon seit 26 Jahren wie Ehepartner zusammengelebt. Bereits kurz nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes sei eine Hochzeit geplant gewesen. Wegen des Baus des gemeinsamen Hauses und des Baus eines weiteren Hauses in Tunesien sowie des Aufbaus des Autohauses sei die Eheschließung jedoch immer wieder aufgeschoben worden. Im Jahr 2000 seien die Heiratspläne sehr konkret geworden. Es sei ein Termin beim Standesamt vereinbart w...