Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe in anderen Lebenslagen. Übernahme von Bestattungskosten. gewöhnlicher Aufenthalt des Hilfesuchenden im Ausland. zuständiger Sozialhilfeträger. Sozialhilfe für Deutsche im Ausland. Leistungsausschluss. Nichtvorliegen einer außergewöhnlichen Notlage. Unterhaltsrechtliche Pflicht zur Übernahme von Bestattungskosten. Leistungsfähigkeit. Sicherung des Existenzminimums. Einmaliger Bedarf. Rückkehr ins Inland
Leitsatz (amtlich)
§ 24 Abs 1 S 1 SGB 12 ist auf die Gewährung von Sozialhilfe in Form der Übernahme der Bestattungskosten nach § 74 SGB 12 anwendbar. Die Übernahme von Bestattungskosten nach § 74 SGB 12 kommt daher bei Deutschen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, nur im Einzelfall unter den Voraussetzungen des § 24 Abs 1 S 2 SGB 12 in Betracht.
Orientierungssatz
1. Das SGB 12 sieht den Fall, dass Bestattungskosten an einen Hilfeempfänger im Ausland geleistet werden sollen, nicht vor. Die Regelung des § 24 Abs 4 S 2 SGB 12 steht insofern im Konflikt mit der des § 98 Abs 3 SGB 12. Da indes der Regelung des § 98 Abs 3 SGB 12 entnommen werden kann, dass über sämtliche Leistungen im Zusammenhang mit einer Bestattung aus einer Hand entschieden werden soll, und dass dies im Regelfall dem zuletzt für den Verstorbenen zuständigen Träger der Sozialhilfe obliegen soll, liegt es nahe, bei einem vorangegangenen Sozialhilfebezug des Verstorbenen von der Zuständigkeit des zuletzt für ihn zuständigen Sozialhilfeträgers auszugehen.
2. Eine außergewöhnliche Notlage iS des § 24 Abs 1 S 2 SGB 12 besteht nur dann, wenn ein Zustand der Bedrängnis besteht, in dem eine Person dringend Hilfe benötigt und bei der in erheblicher Weise existenzielle Rechtsgüter betroffen sind.
Normenkette
SGB XII § 24 Abs. 1, 4 S. 2, §§ 74, 97 Abs. 1, § 98 Abs. 3; SGB I § 30 Abs. 1; BGB § 1603 Abs. 1, § 1615 Abs. 2, § 1968; BestattG BW § 21 Abs. 3, § 31 Abs. 1 S. 2; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 6. August 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Übernahme der Hälfte der für die Beerdigung ihres Vaters angefallenen Kosten, die insgesamt 3.545,23 € betragen haben. Hiervon entfallen 1.995,94 € auf die Rechnung des Bestattungsunternehmers, 1.030,- € auf von der Gemeinde Feldberg festgesetzte Gebühren, 44,- € auf Gebühren, die vom Standesamt F. erhoben wurden und 475,29 € auf Gebühren des Krematoriums. Offen ist derzeit noch die Rechnung des Bestattungsunternehmers.
Die Klägerin, die 1966 geboren wurde, ist die Tochter des Herrn H. Sch. (Sch.), der zuletzt in F. im Zuständigkeitsbereich des Beklagten lebte und von diesem bis zu seinem Tod am 28. September 2010 Sozialhilfe bezog. Sie ist Mutter zweier 1997 und 1998 geborener Kinder und lebt seit etwa zwölf Jahren in Spanien, derzeit in B.. Der Vater der Kinder lebt in E.; Unterhalt bezieht die Familie nicht. Die Klägerin hat einen Bruder H. S., der in G. lebt.
Der Bruder der Klägerin, der nach dem Tod seines Vaters dessen Bestattung in Auftrag gab und an den sämtliche in diesem Zusammenhang erstellten Rechnungen und Gebührenbescheide gerichtet sind, wandte sich am 30. September 2010 an den Beklagten und bat um Übernahme der Bestattungskosten, auch des Teils, der auf seine Schwester entfalle (Bl. 919 der Verwaltungsakte - VA -). Wenige Tage darauf stellte er einen förmlichen Antrag und verwies auf seine beengten finanziellen Verhältnisse (Bl. 921 VA).
Am 2. November 2010 schlug der Bruder der Klägerin die Erbschaft aus (Bl. 1021 VA). Die Klägerin schlug die Erbschaft mit Schreiben vom 15. Dezember 2010, auch im Namen ihrer Kinder, ebenfalls aus (Bl. 1155 VA). Alleinerbin des Sch. wurde dessen Großnichte C. D. (D.), was dem Beklagten allerdings erst im August 2011 bekannt wurde (Bl. 1091 VA). D. hielt sich in den vergangenen drei Jahren im Ausland auf, ehe sie nach Deutschland zurückkehrte. Derzeit lebt sie in M.. Sie hat sich mit der Absicht, die Erbschaft ebenfalls auszuschlagen, ans zuständige Notariat gewandt. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Bereits am 4. November 2010 stellte die Klägerin ebenfalls einen förmlichen Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten beim Beklagten (Bl. 1141 VA), den der Beklagte mit Bescheid vom 11. April 2011 ablehnte (Bl. 1161 VA). Er verwies darauf, nach § 24 SGB XII könnten grundsätzlich nur Personen Sozialhilfe erhalten, die in Deutschland lebten. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall. Eine Ausnahme könne nicht gemacht werden, da die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien. Weder liege eine außergewöhnliche Notlage vor noch sei erkennbar, dass eine Rückkehr nach Deutschland nicht möglich wäre. Am selben Tag übernahm der Beklagte gegenüber dem Bruder der Kläger die Hälfte der aus seiner Sicht erforderlichen Bestattungskosten (1.344,42 €). Dieser hat mittlerweile die angefallenen Rechnungen und Gebührenbescheide mit...