Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Betriebskrankenkasse. Zulässigkeit der Anfechtungsklage gegen Umlagebescheid ihres Bundesverbandes. Ausschluss von Einwänden. eingeschränkte Incidenter-Kontrolle. Satzungsregelung und Ausgleichsordnung zur Gewährung finanzieller Hilfen in besonderen Notlagen mit höherrangigem Recht vereinbar
Leitsatz (amtlich)
1. Eine BKK hat das Recht, den auf § 265 aF iVm einer Satzungsregelung des (früheren) Bundesverbandes der BKK gestützten Umlagebescheid mit einer Anfechtungsklage anzufechten. Dies sagt aber noch nichts über den Umfang der gerichtlichen Überprüfung aus (vgl zu einer ähnlichen Problematik BSG vom 25.6.2002 - B 1 KR 10/01 R = BSGE 89, 277 = SozR 3-2500 § 217 Nr 1).
2. BKK sind mit Einwänden gegen Umlagebescheide nach § 265 aF, die das dem Ausgleichsverfahren vorausgegangene Verfahren der Hilfegewährung betreffen, ausgeschlossen. Auch eine Incidenter-Kontrolle der Satzung des Bundesverbandes ist bei einer Anfechtungsklage gegen die Umlagebescheide nur eingeschränkt statthaft.
Orientierungssatz
Eine in 2004 beschlossene Satzungsregelung und Ausgleichsordnung des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen zur Gewährung finanzieller Hilfen an andere Mitgliedskassen in besonderen Notlagen hält sich im Rahmen der bundesrechtlichen Satzungsermächtigung des § 265a Abs 1 S 1 SGB 5 idF vom 24.3.1998 und verstößt auch nicht gegen verfassungs- oder einfachrechtliche Erfordernisse.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. November 2009 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen. Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Klage- und Berufungsverfahren wird auf 496.516 € festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit von Umlagebescheiden für das Geschäftsjahr 2004 nach Maßgabe des § 265a Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) streitig.
Die Klägerin ist eine Betriebskrankenkasse (BKK), die im streitbefangenen Zeitraum im Sinne des § 173 Abs 2 Nr 4 SGB V geöffnet war. Sie ist Mitglied des BKK Landesverbandes Baden- Württemberg, der seinerseits bis Ende 2008 Mitglied des Beklagten war und seit 1. Januar 2009 dessen Gesellschafter ist (§ 212 Abs 1 Satz 2 SGB V). Der beklagte Bundesverband der BKK wurde nach dem mit Wirkung vom 1. Januar 2009 geänderten § 212 Satz 1 SGB V kraft Gesetzes von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdÖR) in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) umgewandelt. Der Verwaltungsrat des Beklagten beschloss auf seiner Sitzung am 27i28. Januar 2004 eine Satzungsänderung, die am 10. März 2004 durch das (damalige) Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) genehmigt und in der Zeitschrift “Die BKK„, Ausgabe März 2004, bekannt gemacht wurde (Bl 261 der SG-Akte S 16 KR 84/07). Die Satzungsänderung betraf ua den § 17 der Satzung, der wie folgt gefasst wurde:
§ 17 Finanzielle Hilfen in besonderen Notlagen der Betriebskrankenkassen (§ 265a SGB V)
1. Der Bundesverband kann auf schriftlichen Antrag des Vorstandes einer Betriebskrankenkasse finanzielle Hilfen in besonderen Notlagen leisten. Die Hilfen können auch als Darlehen gewährt werden.
2. Über den Antrag auf finanzielle Hilfen entscheidet der Vorstand. Die Entscheidung über die Hilfe bedarf der Zustimmung der beteiligten Landesverbände. Betriebskrankenkassen, deren Landesverbände der Hilfe nicht zustimmen, nehmen am Ausgleichsverfahren nicht teil. Für die Betriebskrankenkassen der Dienstbetriebe des Bundes nimmt der Bundesverband die Funktion des Landesverbandes wahr.
3. Näheres über Voraussetzungen, Dauer, Umfang, Aufbringung der Mittel sowie über die Durchführung des Verfahrens regeln die Ausgleichsordnungen zur Umsetzung der finanziellen Hilfen in besonderen Notlagen, die Bestandteil der Satzung sind (Anlage 2 und 3).
4. Für die Berechnung und Durchführung der finanziellen Hilfen findet § 313 Abs 10a SGB V in der jeweils geltenden Fassung Anwendung.„
Die Anlage 3 zur Satzung des Beklagten enthält die sog Ausgleichsordnung 2004 (BI 118 ff der Akten S 4 KR 2698/05). Darin werden die Voraussetzungen für die Gewährung finanzieller Hilfen an einzelne BKK (§ 1), Art und Umfang der Hilfen (§ 2) und ihre Finanzierung (§ 3) geregelt. Die Ausgleichsordnung 2004 war ebenfalls Gegenstand der im Januar 2004 beschlossenen Satzungsänderung. Sie wurde darüber hinaus durch Beschlüsse des Verwaltungsrats des Beklagten vom Juni und Dezember 2004 geändert. Beide Änderungen wurden vom BMGS genehmigt und in der Zeitschrift “BKK aktuell„ in den Ausgaben für Juli 2004 (Bl 259 f der SG-Akte S 16 KR 84/07) und Januar 2005 (Bl 257 der SG-Akte S 16 KR 84/07) veröffentlicht. Über die finanzielle Hilfe entscheidet nach § 1 Abs 3 der Ausgleichsordnung 2004 der Vorstand des Beklagten; er bestimmt auch die erforderlichen Auflagen und Maßnahmen. Art und Umfang der finanziellen Hilfen sind ...