Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragszeiten im Beitrittsgebiet. Berücksichtigung von Überentgelten. Vormerkungsbescheid im Rahmen einer Kontenklärung. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
In Vormerkungsbescheiden ist bei Tatbeständen von Beitragszeiten wegen Beschäftigung oder Tätigkeit auch der daraus jeweils erzielte oder kraft Gesetzes als fiktiv versichert geltende Verdienst festzustellen (Anschluss an BSG vom 23.9.2003 - B 4 RA 48/02 R und LSG Berlin vom 29.7.2004 - L 8 RA 18/01).
Orientierungssatz
Die Regelung des § 256a SGB 6 ist verfassungsgemäß (vgl BSG vom 17.8.2000 - B 13 RJ 5/00 R und BVerfG vom 13.12.2002 - 1 BvR 1144/00 = SozR 3-2600 § 256a Nr 9). Sie ist Ausfluss der Systementscheidung, wonach Anwartschaften aus der Sozialpflichtversicherung und der FZR der DDR in die im SGB 6 geregelte Rentenversicherung der Bundesrepublik überführt worden sind. Die Systementscheidung ihrerseits ist verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden (Anschluss an BVerfG vom 28.4.1999 - 1 BvL 32/95 ua = BVerfGE 100, 1 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. Mai 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Ermittlung von Entgeltpunkten für die vom Kläger im Beitrittsgebiet zurückgelegten Versicherungszeiten streitig.
Der am 10. Juli 1949 in L. geborene Kläger schloss nach Erwerb des Facharbeiterzeugnisses (Fernmeldemechaniker) im September 1972 sein Diplomstudium im Fachbereich Informationstechnik ab und arbeitete im Anschluss daran bis zum 30. Dezember 1987 in D. als Entwicklungsingenieur. Vom 1. Januar bis 31. Dezember 1988 war der Kläger infolge eines zuvor gestellten Ausreiseantrages arbeitslos. Im Zeitraum vom 1. Januar bis 13. November 1989 war er sodann wieder als Entwicklungsingenieur in D. tätig. In seinem Sozialversicherungsbuch sind für die Zeit von 1973 bis 1987 beitragspflichtige Gesamtarbeitsverdienste zwischen 6.352,00 Mark und 7.200,00 Mark ausgewiesen. Im Jahr 1989 hatte er einen beitragspflichtigen Gesamtarbeitsverdienst von 5.495,00 Mark (vgl Blatt 15 - 32 der Verw-Akte). Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) zahlte er nicht. Am 10. November 1989 wurde er aus der Staatsbürgerschaft der früheren Deutschen Demokratischen Republik (DDR) mit Wirkung vom 16. November 1989 entlassen. Am gleichen Tag siedelte er zusammen mit seiner Ehefrau in die Bundesrepublik Deutschland über (Bescheinigung der Bundesaufnahmestelle in G. vom 20. November 1989).
Am 12. Februar 1991 stellte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet) einen Antrag auf Kontenklärung. Hierauf erging unter dem 16. April 1991 ein Feststellungsbescheid hinsichtlich näher bezeichneter Ausfallzeiten in den Jahren 1965 bis 1972 wegen Schul- und Hochschulausbildung.
Am 16. April 2001 wies der Kläger die Beklagte darauf hin, dass sein Antrag auf Kontenklärung bislang noch nicht vollständig bearbeitet worden sei; zugleich bat er, den Vorgang wieder aufzunehmen und den gesamten Versicherungsverlauf von 1965 bis 2000 aufzuklären. Am 11. Juni 2001 stellte er erneut einen Antrag auf Kontenklärung. Mit Bescheid vom 10. Juli 2002 lehnte die Beklagte die Feststellung der Beschäftigungszeit vom 1. Oktober 1972 bis 13. November 1989 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) ab.
Am 30. Juni 2004 stellte die Beklagte nach § 149 Abs 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) die Versicherungszeiten des Klägers bis 31. Dezember 1997 fest (sog Vormerkungsbescheid). Die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1988 werde als Anrechnungszeit anerkannt, die Zeit vom 1. September 1968 bis 23. September 1972 könne hingegen nicht als Beitragszeit anerkannt werden, da es sich um Zeiten der Schul-, Fach- oder Hochschulausbildung handle. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten erst bei der Feststellung einer Leistung entschieden werde. Der Versicherungsverlauf (Anlage 2 zum Bescheid vom 30. Juni 2004) enthielt die im Sozialversicherungsbuch ausgewiesenen beitragspflichtigen Gesamtverdienste. Des Weiteren wurde dem Kläger unter dem 30. Juni 2004 eine Rentenauskunft erteilt, wobei hierbei ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass es sich nicht um einen Rentenbescheid handle.
Gegen den Vormerkungsbescheid erhob der Kläger am 29. Juli 2004 Widerspruch, den er "auf die Bewertung der Zeiten im Beitrittsgebiet und andere unklare Punkte" beschränkte. Er wandte sich auch gegen die Übernahme der im Sozialversicherungsbuch ausgewiesenen beitragspflichtigen Gesamtverdienste, da die Beklagte zu Unrecht § 256 a SGB VI zugrunde gelegt habe. Bei einer Bewertung nach § 256 b oder c SGB VI oder nach dem Fremdrentengesetz (FRG) ergäben sich Einkünfte bis zum dreifachen Wert. Bei ih...