Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. gesetzliche Unfallversicherung. Herabsetzung der MdE und der Verletztenrente. Änderung der tatsächlichen Verhältnisse. Aufhebungsbescheid: bestandskräftig festgestellte Unfallfolgen im Bewilligungsbescheid. Bindungswirkung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs 1 S 1 SGB X, die zur Herabsetzung der MdE und der Verletztenrente berechtigt, ist zu verneinen, wenn die im ursprünglichen Bewilligungsbescheid festgestellten Unfallfolgen nicht aufgehoben werden.

 

Normenkette

SGB VII § 56 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, § 73 Abs. 3; SGB X § 48 Abs. 1 S. 1, § 31; BGB §§ 133, 157; SGG § 54 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 30.September 2015 sowie der Bescheid vom 5. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2013 aufgehoben.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Herabsetzung einer Unfallrente wegen einer wesentlichen Verbesserung des Gesundheitszustandes.

Der 1939 geborene Kläger war bis Juli 1994 als Zimmermann berufstätig.

Auf Klage des Klägers vor dem Sozialgericht Freiburg (SG; S 10 U 2106/96) verurteilte dieses nach Einholung eines Gutachtens beim Orthopäden Prof. Dr. A. vom 22.01.1997, in dem dieser als beruflich bedingte Gesundheitsstörung eine wiederholte Lumboischialgie links bei linksbetontem Bandscheibenvorfall L4/5 feststellte, die Beklagte mit Urteil vom 12.02.1998 zur Gewährung einer Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. auf Grund einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 (Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BK 2108). Im Rahmen des sich anschließenden Berufungsverfahrens vor dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (L 2 U 1040/98) nahm die Beklagte nach Erstellung eines Gutachtens durch den Orthopäden Prof. Dr. B., der degenerative Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule bei einem nachgewiesenen linksseitigen Bandscheibenvorfall L4/5 mit Bewegungseinschränkung im Bereich der Brustwirbelsäule bei nachgewiesenem Morbus Forestier diagnostizierte, die Berufung zurück und bewilligte mit Bescheid vom 04.08.1999 unter Anerkennung des Vorliegens einer BK 2108 eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 v.H. Die Beklagte anerkannte hierbei als Folge der Berufskrankheit “degenerative Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule bei nachgewiesenem Bandscheibenvorfall im Segment L4/5, Bewegungseinschränkung in diesem Bereich sowie glaubhafte Belastungsbeschwerden„.

Darüber hinaus erhält der Kläger wegen einer beruflich bedingten Lärmschwerhörigkeit eine weitere Rente nach einer MdE um 10 v.H.

Von Amts wegen überprüfte die Beklagte in der Folge, ob eine Änderung des Gesundheitszustands und der Folgen der BK 2108 eingetreten sei und übersandte hierzu dem Kläger mit Schreiben vom 12.04.2011 einen entsprechenden Fragebogen.

Nach Vorlage von Unterlagen des Universitätsklinikums C., Department Orthopädie und Traumatologie erstattete der Orthopäde Prof. Dr. A. am 26.10.2011 ein orthopädisches Gutachten. In diesem führte er aus, dass es zwar zu einer Progredienz der Degenerationen an der Lendenwirbelsäule, aber - radiologisch und computertomographisch belegt - in den drei oberen und berufsbedingt weniger belasteten Segmenten, sogar zu einem gedeckten Prolaps im Segment L2/3 gekommen sei, während in dem kritischen Segment L4/5 der ehemalige Bandscheibenvorfall rückläufig gewesen sei und nunmehr dort nur noch eine Protrusion der Bandscheibe bestehe, die außerdem nicht höhengemindert und nur leicht signalvermindert sei. Die Verbesserung im tief lumbalen Bereich sei kernspintomographisch auf den Aufnahmen vom 16.11.2010 belegt, also vor deutlich mehr als einem Jahr. Unbenommen eines Bestandschutzes schätze er die gegenwärtig berufsbedingte MdE seit der Zeit der Kernspintomographie mit 10 v.H. ein.

In einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 06.12.2011 führte Dr. D. aus, dass der vorbestehende Bandscheibenvorfall L4/5 aktuell nicht mehr nachweisbar sei. Stattdessen finde sich jetzt ein gedeckter Bandscheibenprolaps L2/3. Einen ursächlichen Zusammenhang zwischen diesem Prolaps und der beruflichen Tätigkeit verneinte Dr. D. wie bereits zuvor Prof. Dr. A..

Die Beklagte beauftragte daraufhin den Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Radiologische Diagnostik/Neuroradiologie Dr. E. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser führte in seinem Gutachten vom 10.12.2012 aus, es seien gegenüber 2008 Verschlechterungen hinsichtlich der degenerativen Veränderungen des Achsenskeletts erkennbar. Der in V...

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