Leitsatz (amtlich)
1. Das Begehren auf Gewährung höherer Verletztenrente aufgrund einer Verschlimmerung umfasst die Änderung der früheren Bewilligung nach § 48 SGB X im Wege der Verpflichtungsklage.
2. Bei Bemessung der MdE für einen Unfallschaden im Bereich der Knie stehen die funktionellen Defizite im Vordergrund. Rechtfertigen die aktuellen funktionellen Beeinträchtigungen keine höhere MdE als bereits zuerkannt, liegt keine wesentliche Änderung vor.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18.02.2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung einer höheren Verletztenrente aufgrund einer Verschlimmerung von Unfallfolgen im Streit.
Der 1962 geborene Kläger erlitt im Rahmen einer vormilitärischen Ausbildung am 17.04.1980 in der ehemaligen DDR einen Motorradunfall (s. Bl. 3 ff. und 17 ff. VA), bei dem er sich eine Patellafraktur rechts (Trümmerfraktur), eine tiefe Risswunde im Bereich der linken Halsregion und eine Claviculafraktur zuzog (Bl. 6 VA). Die rechte Patella wurde daraufhin operativ entfernt (Bl. 46 VA). Der Unfall wurde seitens der Verwaltung der Sozialversicherung der DDR mit Bescheid vom 08.12.1980 als Arbeitsunfall anerkannt (Bl. 7 VA) und der Kläger erhielt ab dem 20.10.1980 eine Unfall-Teil-Rente in Höhe von monatlich 80,- (DDR-)Mark (Bl. 14 f. VA).
Nach Übersiedelung in die BRD im Jahr 1989 (Bl. 26 VA) stellte der Kläger am 13.07.1989 einen Antrag auf Unfallrente (Bl. 11 VA). Die Süddeutsche Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft veranlasste daraufhin seine Begutachtung durch O1 (Bl. 26 ff. VA, Untersuchungstag: 24.04.1990, Datum des Gutachtens: 14.05.1990), der als Unfallfolgen Narben im Bereich des linken Schultergelenkes in Höhe der linken Clavicula ohne objektivierbare Funktionseinschränkungen und ohne subjektive Beschwerden, ein Fehlen der rechten Patella bei Zustand nach (Z.n.) Entfernung der Kniescheibe nach Trümmerfraktur, eine Narbe über dem rechten Kniegelenk, eine deutliche Muskelminderung im Ober- und Unterschenkelbereich rechts sowie glaubhafte subjektive Beschwerden von Seiten des rechten Kniegelenkes (lt. Messblatt, Bl. 29 VA: Streckung/Beugung Kniegelenk rechts 0/0/130°, Umfangmaße 20 cm ob. inn. Knie-Gelenkspalt: rechts 51 cm gegenüber links 56 cm, Umfangmaße 10 cm ob. inn. Knie-Gelenkspalt: rechts 41 cm gegenüber links 47 cm, Umfangmaße 15 cm unterh. inn. Gelenkspalt: rechts 36 cm gegenüber links 40,5 cm; Umfangmaße Kniescheibenmitte: rechts 36 cm gegenüber links 37,5 cm) beschrieb und die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 20 v.H. einschätzte.
Nachdem die Süddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft (Rechtsnachfolgerin der Süddeutschen Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft) mit Bescheid vom 26.10.1994 (Bl. 159 f. VA) die Gewährung einer Unfallrente mangels Zuständigkeit abgelehnt hatte, bewilligte die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft dem Kläger mit Bescheid vom 20.12.1994 (Bl. 195 f. VA) wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17.04.1980 ab 01.01.1992 eine unbefristete Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. und erkannte als Folgen des Arbeitsunfalls eine Entfernung der rechten Kniescheibe nach Trümmerfraktur, eine Muskelminderung im Ober- und Unterschenkelbereich rechts, eine Narbe über dem rechten Kniegelenk und eine folgenlos verheilte Schlüsselbeinfraktur links an. Anschließend gab sie die weitere Bearbeitung dieses Arbeitsunfalls an die insoweit zuständige Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung ab (Bl. 246 f. VA).
Einen (ersten) Verschlimmerungsantrag des Klägers auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer höheren MdE lehnte die Unfallkasse des Bundes (Rechtsnachfolgerin der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung und Rechtsvorgängerin der beklagten Unfallversicherung Bund und Bahn - im Folgenden: die Beklagte -) mit Bescheid vom 16.08.2012 ab, da sich die dem Bescheid vom 20.12.1994 zugrundeliegenden Verhältnisse nicht wesentlich geändert hätten. Ihre Entscheidung stützte sie auf ein Gutachten des Chefarztes des S1 M1 W1 (Bl. 288 ff. VA, Untersuchungstag: 13.07.2012), der im Bereich des rechten Kniegelenks des Klägers eine Streckung/Beugung von 0/0/130° und eine deutliche Muskelminderung (Umfangmaße 20 cm ob. inn. Knie-Gelenkspalt: rechts 49 cm gegenüber links 55 cm, Umfangmaße 10 cm ob. inn. Knie-Gelenkspalt: rechts 45 cm gegenüber links 41 cm, Umfangmaße 15 cm unterh. inn. Gelenkspalt: rechts 39 cm gegenüber links 42 cm, Umfangmaße Kniescheibenmitte: rechts 38 cm gegenüber links 39 cm) sowie einen deutlichen Verlust der Streckkraft des rechten Beines dokumentierte und die unfallbedingte MdE weiterhin auf 20 v.H. einschätzte.
Mit Schreiben vom 07.09.2016 (Bl. 320 VA) beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer höheren Verletztenrente nach einer höheren MdE, da er seit Mai mehrmals wegen Kniebeschwerden behandelt worden sei und sich die Beweglichkeit im Bereich seines rechten Kniegelenks ve...