Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. wesentliche Verschlimmerung nach Rentenabfindung. erneute Rentenzahlung in Höhe des Verschlimmerungsgrads. MdE-Bewertung. Nachweis der maßgebenden objektivierbaren Funktionsdefizite. Instabilität bei insuffizienter Kreuzbandplastik, fortschreitende Gonarthrose, Bewegungseinschränkung des Kniegelenks sowie Muskelminderung. kein Verschlimmerungsgrad der MdE von mehr als 5 vH
Leitsatz (amtlich)
Bei einer Verschlimmerung der Unfallfolgen nach Abfindung einer Verletztenrente auf Lebenszeit ist die Rente in Höhe des Verschlimmerungsgrads (erneut) zu zahlen.
Die für die Bewertung der MdE maßgebenden objektivierbaren Funktionsdefizite können nicht allein aus dokumentierten Bewegungsmaßen abgeleitet werden, wenn diese anhand der klinischen Befunde inhaltlich nicht nachvollzogen werden können.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14.03.2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die erneute Zahlung einer Verletztenrente ab dem 06.06.2016 nach erfolgter Rentenabfindung auf Lebenszeit wegen einer wesentlichen Verschlimmerung des Gesundheitszustands.
Der 1966 geborene Kläger erlernte nach eigenen Angaben in den Jahren von 1982 bis 1985 den Beruf eines Dachdeckers, wobei er später (1999) die Meisterprüfung ablegte (s. S. 335 VerwA). Zum Zeitpunkt des vorliegend in Rede stehenden Ereignisses arbeitete er als selbstständiger Handelsvertreter und war in dieser Tätigkeit unfallversichert. Am 22.01.1993 stürzte er bei Ausübung seiner Tätigkeit beim Treppengehen und zog sich eine Ruptur des vorderen Kreuzbands rechts zu, die in der Folgezeit mit einer Kreuzbandersatzplastik operativ versorgt wurde.
Die Beklagte nahm auf der Grundlage der gutachtlichen Äußerung des S, dessen Auffassung der Beratungsarzt M (Stellungnahme vom 31.05.1994) unter Berücksichtigung zweier weiterer Stürze des Klägers im März und August 1993 als mittelbare Unfallfolgen bestätigte, als Folgen des Unfalls vom 22.01.1993 eine Instabilität des rechten Kniegelenks mit Einschränkung der Belastbarkeit, eine wiederkehrende Schwellneigung sowie Ergussbildungen des rechten Kniegelenks nach Zerreißung des vorderen Kreuzbands rechts bei operativer Versorgung mit Kreuzbandplastik an und gewährte dem Kläger zunächst eine Rente als vorläufige Entschädigung für die Zeit vom 22.02.1993 bis 30.04.1993 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. und ab dem 01.05.1993 nach einer MdE von 20 v.H.
Von 1994 bis 1996 ließ sich der Kläger nach eigener Angabe wegen Bandscheibenproblemen auf Kosten der Bundesagentur für Arbeit zum Bauzeichner umschulen (s. S. 336 VerwA).
Im Anschluss an eine stattgehabte Re-Ruptur des vorderen Kreuzbands rechts holte die Beklagte bei S das Zweite Rentengutachten vom 03.08.1995 ein. S diagnostizierte eine deutliche antero-mediale Rotationsinstabilität mit endgradiger Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenks und deutlicher Schwellneigung sowie Ergussbildung bei körperlicher Anstrengung und eine beginnende mediale Gonarthrose rechts. Er befundete u.a. eine Streckung/Beugung des rechten Kniegelenks von 0-10-135°, eine mediale Aufklappbarkeit von 15° rechts gegenüber links und eine vordere Schublade rechts von 1 cm. Die MdE betrage weiterhin 20 v.H. Daraufhin verlautbarte die Beklagte (Schreiben an den Kläger vom 14.08.1995), dass eine wesentliche Änderung der Unfallfolgen nicht eingetreten sei und dass die Rente weiterhin wie bisher gezahlt werde. Mit Bescheid vom 11.08.1998 fand die Beklagte die Rente sodann antragsgemäß auf Lebenszeit ab.
Nach einer erneuten arthroskopischen Versorgung des vorderen Kreuzbands rechts im November 2003 und eines weiteren, im Rahmen einer befristeten Aushilfstätigkeit als Dachdecker erlittenen Unfalls am 23.08.2004, bei dem sich der Kläger - der nach eigener Angabe (S. 336 VerwA) seit 2004 wieder als Dachdeckermeister beschäftigt war (später dann von April 2008 bis August 2017 als Bauleiter) - eine Distorsion am rechten Kniegelenk zuzog, stellte er sich wegen erneuter Beschwerden im Bereich des rechten Kniegelenks am 04.05.2016 und 11.05.2016 zunächst bei den D-Ärztinnen S1 und A vor, die eine vordere Kreuzbandinstabilität des rechten Knies, eine vordere Kreuzband(= VKB)ruptur rechts bei Zustand nach VKB-Ersatz und Rekonstruktionsoperation sowie eine posttraumatische Gonarthrose rechts diagnostizierten. Sie befundeten unter Berücksichtigung der am 10.05.2016 stattgehabten MRT des rechten Knies einen leichten Erguss, diffuse Druckschmerzen, eine deutliche vordere Instabilität bei negativen Meniskuszeichen und eine freie Kniegelenksbeweglichkeit bei 4°-Schaden medial (s. zu allem S. 46, 50, 54 VerwA).
Sodann stellte sich der Kläger am 06.06.2016 bei den Ärzten der BG Klinik T (BGU) vor, die in ihrem Bericht vom 09.06.2016 (S. 70 f. VerwA) als Diagnosen Schmerzen und ein Instabilitätsgefühl des rechten Kniegelenks bei ...