nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragsgeminderte Zeiten. Pflichtbeitragszeiten. Anrechnungszeiten. Kollisionslage
Leitsatz (redaktionell)
1. Treffen vor dem 01.01.1998 für denselben Zeitraum Anrechnungszeiten nach § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und Nr. 4 (wegen einer von der Bundesagentur für Arbeit unter Zahlung von Unterhaltsgeld geförderten Fortbildung) und Beitragszeiten (wegen Bezugs von Unterhaltsgeld nach § 1227 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 RVO i.V.m. § 247 Abs. 2 SGB VI) zusammen, ist eine beitragsgeminderte Zeit nach § 58 Abs. 1 S. 3 SGB VI ausgeschlossen. Die Zeit ist als reine Beitragszeit im Versicherungskonto vorzumerken.
2. § 58 Abs. 1 S. 3 SGB VI ist nicht auf Anrechnungstatbestände des Abs. 1 Nr. 1 bis 5 beschränkt, sondern erfasst grundsätzlich alle Tatbestände, die (zugleich) mit echten Pflichtbeitragszeiten belegt sind.
Normenkette
SGB VI § 58 Abs. 1 S. 1 Nrn. 3-4, S. 3, § 247 Abs. 2, §§ 252, 54 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
SG Reutlingen (Entscheidung vom 19.09.2002; Aktenzeichen S 10 RA 2572/01) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 19. September 2002 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger auch für das Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Tatbestand:
Im Streit steht die Höhe der den Klägern zu gewährenden Witwen- bzw. Waisenrenten.
Die am 1958 geborene Klägerin zu 1. (im weiteren: Klägerin) ist die Witwe des am 12. Februar 1952 geborenen und am 22. März 2000 verstorbenen Versicherten E. D. F. (Versicherter). Die Kläger zu 2. und 3. sind die leiblichen Kinder des Versicherten (St. , geboren am 10. Mai 1984 und C. , geboren am 9. Dezember 1988).
Unter dem 3. April 2000 beantragte die Klägerin für sich und den Kläger zu 3. sowie unter dem 23. Mai 2000 für die Klägerin zu 2. die Gewährung von Hinterbliebenenrente nach ihrem verstorbenen Ehemann. Dieser war bei der Beklagten versichert, zuletzt als selbständiger Elektrotechniker ab 1. Mai 1996 freiwillig. Die Klägerin führte zunächst den Betrieb des Versicherten nach seinem Tod fort.
Mit Bescheid vom 19. September 2000 bewilligte die Beklagte der Klägerin Witwenrente und mit Bescheiden vom 23. Juni 2000 den Klägern zu 2. und 3. Waisenrente.
Auf den Witwenrentenbescheid legte die Klägerin am 2. Oktober 2000 Widerspruch ein mit der Begründung, ihr Ehemann habe ab September 1979 bis 1981 die Technikerschule besucht. In dieser Zeit habe die Bundesanstalt (jetzt: Bundesagentur) für Arbeit Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einbezahlt. Daher dürften diese Zeiten zusätzlich als Anrechnungszeiten zu berücksichtigen und eine höhere Rente zu gewähren sein. Die Klägerin legte ihrem Schreiben das Zeugnis der Zwischenprüfung vom 23. Juli 1980 sowie das Abschlusszeugnis der zweijährigen Fachschule für Technik vom 3. Juli 1981 bei.
Im Rahmen der daraufhin durchgeführten Überprüfung des Rentenbescheids kam die Beklagte zum Ergebnis, dass nach ihrer Auffassung die Rente fehlerhaft berechnet worden sei. Im Anhörungsschreiben vom 13. Oktober 2000 führte sie aus, dass der Versicherte zwar in der Zeit vom 10. September 1979 bis 3. Juli 1981 eine Fachschule besucht habe, die als Anrechnungszeit gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen sei. Allerdings seien neben dieser Zeit auch Pflichtbeiträge wegen Arbeitslosigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 12 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) zurückgelegt worden. Diese Zeit der Arbeitslosigkeit mit Leistungsbezug sei als Beitragszeit gemäß § 247 Abs. 2 SGB VI zu berücksichtigen mit der Folge, dass eine Überzahlung in Höhe von 431,26 DM für die Witwenrente und 63,07 DM für die Waisenrente eingetreten sei. Denn die Pflichtbeiträge seien wegen des Zusammentreffens mit der Anrechnungszeit wegen Fachschulbesuchs als beitragsgeminderte Zeiten in der Rentenberechnung zu berücksichtigen und nicht als vollwertige Pflichtbeiträge. Daher sei beabsichtigt, die Bescheide vom 23. Juni 2000 über die Gewährung von Waisenrente und den Bescheid vom 19. September 2000 über die Gewährung von Witwenrente mit Wirkung ab 1. Januar 2001 nach § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurückzunehmen und künftig nur noch die niedrigeren richtig berechneten Renten auszubezahlen. Die Überzahlungen bis 31. Dezember 2000 würden nicht zurückgefordert. Für die Entscheidung könne erheblich sein, ob die Rücknahme für den Betroffenen zu einer unbilligen Härte führe.
Mit Bescheid vom 10. November 2000 stellte die Beklagte daraufhin die Witwenrente ab 1. Januar 2001 neu fest und hob die gegenüber dem Versicherten ergangenen Bescheide vom 11. Dezember 1989 und 23. Juli 1996 über die Feststellung der Zeiten vom 10. September 1979 bis 3. Juli 1981 nach § 149 Abs. 5 SGB VI auf, soweit sie nicht dem geltenden Recht entsprächen. Die Zeit vom 1. September 1979 bis 31. Juli 1981 wurde als beitragsgeminderte Zeit festgestellt und der Witwenrentenbescheid vom 23. Juni 2000 (richtig: 19. September 2000) ...