Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Arbeitsleistung während des Maßregelvollzugs. freiheitsbeschränkende Maßnahme. Beschäftigung. Versicherungspflicht. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 12 KR 18/17 R

 

Orientierungssatz

1. Eine während des Maßregelvollzugs verrichtete arbeitstherapeutisch bedingte Tätigkeit stellt keine Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs 1 S 1 SGB 4 dar, die der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt.

2. Eine während der Verbüßung von Freiheitsstrafe verrichtete Arbeit, die aufgrund der Arbeitspflicht nach § 41 Abs 1 StVollzG in der Haftanstalt ausgeübt wird, begründet kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis iS des § 1 S 1 Nr 1 SGB 6 (vgl BSG vom 6.5.2010 - B 13 R 118/08 R und vom 24.10.2013 - B 13 R 83/11 R = SozR 4-2600 § 43 Nr 20).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.09.2018; Aktenzeichen B 12 KR 18/17 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 07.10.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt (noch) die Feststellung seiner Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung in der Zeit seines Maßregelvollzugs vom 26.07.1978 bis zum 31.12.2001.

Der im Jahr 1953 geborene Kläger wurde durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts M. vom 29.12.1977 (4 KLs …./7….) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und 8 Monaten verurteilt; zugleich wurde wegen einer aufgrund cerebraler Schädigung bestehenden Neigung zu impulsiven und unbedachten Handlungen als Maßregel der Besserung und Sicherung die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Der Kläger befand sich vom 26.07.1978 bis zum 31.12.2001 in einem PLK (Beigeladene zu 1). Dort verrichtete er als Patient des Maßregelvollzugs Hilfstätigkeiten in der Stationsküche, in der Therapiehalle (Verschrauben von Kleinteilen) sowie vor allem in der Gärtnerei. Diese Tätigkeiten waren auch Bestandteil einer aus ärztlichen Gründen durchgeführten Arbeitstherapie. Der Kläger erhielt für diese Tätigkeiten eine Vergütung in Höhe des nach der Dienstanweisung des Sozialministeriums für im Maßregelvollzug befindliche Personen maximal erzielbaren Betrages (anfangs 120 DM im Monat). Der Umfang seiner Tätigkeit entsprach im Jahr 1988 etwa 60 % einer (vollen) Arbeitskraft.

Eine erste gegen das L. gerichtete Klage des Klägers auf Feststellung der Sozialversicherungspflicht seiner Tätigkeit blieb erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Mannheim (SG) vom 23.06.1989 - 8 Kr 2204/86 -, Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 07.05.1993 - 4 Kr 766/90 -; Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11.09.1995 - 12 RK 31/93 -). Das BSG führte aus, das Feststellungsbegehren sei zulässig nur gegenüber der Einzugsstelle und nicht aber gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen, und hob deshalb das Urteil des LSG hinsichtlich der darin getroffenen Feststellung der Beitragspflicht des Klägers zur B. auf. Ein weiterer, gegen die Beklagte als Einzugsstelle geführter Rechtsstreit blieb ebenfalls ohne Erfolg (Urteil des SG vom 23.06.1997 - S 10 KR 2471/96 -; Urteil des LSG vom 24.04.1998 - L 4 KR 2455/97 -). Das LSG führte in seinem Urteil im Wesentlichen aus, für ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis habe es an der erforderlichen Freiwilligkeit der Arbeitsleistung gefehlt.

Am 07.09.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Feststellung der Sozialversicherungspflicht seiner Tätigkeit im Maßregelvollzug. Mit Bescheid vom 15.09.2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Arbeitseinsätze des Klägers beim PLK hätten nicht der Sozialversicherungspflicht unterlegen. Zur Begründung verwies die Beklagte auf die Ausführungen im Urteil des LSG vom 24.04.1998 (L 4 KR 2455/97).

Der Kläger erhob dagegen am 21.09.2010 Widerspruch und berief sich zur Begründung auf das Urteil des LSG vom 07.05.1993 (L 4 Kr 766/90). Darin habe das LSG die Versicherungspflicht nach dem Arbeitsförderungsgesetz ab dem 01.04.1986 bejaht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und verwies zur Begründung erneut auf die Ausführungen in dem Urteil des LSG vom 24.04.1998 (L 4 KR 2455/97). Seither hätten sich keine Änderungen ergeben.

Am 30.11.2010 erhob der Kläger Klage zum SG, zu deren Begründung er ausführte, seine Rentenversicherungspflicht im Maßregelvollzug ergebe sich aus § 1 Satz 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch (SGB) VI. Er sei in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen tätig gewesen, da die Voraussetzungen des § 136 SGB IX erfüllt seien. Unerheblich sei dabei, in welcher Höhe Arbeitsentgelt gezahlt worden sei. Es müsse sich auch nicht um selbstständige Werkstätten handeln; ausreichend sei vielmehr, wenn die Werkstätten anderen Einrichtungen angeschlossen seien und dass es sich um eine anerkannte Werkstatt handle. Jedenfalls seien die Voraussetzungen des § 1 Satz 1 Nr. 2b SGB VI erfüllt, da er in einer Anstalt, einem...

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