Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. GdB-Feststellung. GdB von 50. Versorgungsmedizinische Grundsätze. obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom. Durchführbarkeit einer nasalen Überdruckbeatmung. Therapieunverträglichkeit. erforderlicher Nachweis von Therapieversuchen. gesteigerte Darlegungslast bei Auftreten einer Maskenunverträglichkeit im häuslichen Umfeld

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Neufeststellung des GdB bei Schlafapnoesyndrom und zu den Anforderungen des Vollbeweises in Bezug auf die Nichtdurchführbarkeit einer nasalen Überdruckbeatmung (Versorgungsmedizinische Grundsätze Teil B Nr. 8.7).

2. Auf eine exakte, in sich widerspruchsfreie und plausible Wiedergabe der geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Durchführung der Maskenbeatmung kann umso weniger verzichtet werden, wenn feststeht, dass sich die geschilderten Probleme erst in der häuslichen Umgebung und nicht bereits im Schlaflabor gezeigt haben.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 06.04.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erhöhung seines Grades der Behinderung (GdB) von 30 auf 50.

Der 1959 geborene Kläger beantragte am 13.04.2016 beim Landratsamt E erstmals die Feststellung eines GdB. Mit Bescheid vom 10.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2017 stellte der Beklagte darauf fest, dass die Gesundheitsstörungen des Klägers keinen GdB von wenigstens 20 begründen. Die hiergegen vor dem SG Stuttgart geführte Klage (Az. S 26 SB 338/17) endete mit einem Vergleich. Zur Umsetzung des Vergleichs stellte der Beklagte mit Bescheid vom 21.11.2017 einen GdB von 20 ab dem 13.04.2016 und von 30 ab dem 27.07.2017 fest. Dem lagen die beiden Funktionsbeeinträchtigungen abgelaufener Herzinfarkt mit Stentimplantation und Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen zugrunde.

Laut einem Bericht des Schlaflabors des Medizinischen Versorgungszentrums Pneumologisch-Neurologisches Zentrum S (fortan: PNZ) vom 26.10.2018 über eine Behandlung des Klägers vom 25.09.2018 bis 26.10.2018 diagnostizierte der H beim Kläger eine schwergradige obstruktive Schlafapnoe, Durchschlafstörung, Hypersomnie, arterielle Hypertonie und koronare Herzkrankheit. Eine APAP-Therapie (Auto Continuous Positive Airway Pressure) sei eingeleitet und die notwendigen Materialien angepasst worden. Der Patient habe die Beatmungstherapie als gewöhnungsbedürftig empfunden. Ein imperativer Schlafzwang bestehe nicht, Albträume kämen nie vor, Kataplexien (kurze Verluste des Muskeltonus als Begleitsymptom einer Schlafstörung) und Schlaflähmungen würden nicht angegeben, es bestehe kein Verdacht auf Narkolepsie (neurologisch bedingte Schlafattacken tagsüber).

Mit Rezept vom 10.12.2018 verordnete der B dem Kläger das Hilfsmittel „CVollmaske (Mund und Nase)“, das erstmals im Berufungsverfahren aktenkundig wurde. In einem schon im Verwaltungsverfahren beigezogenen Attest vom 18.12.2018 berichtete B über eine Behandlung des Klägers am selben Tag unter Auswertung des Berichts des PNZ und teilte mit, dass der Kläger die Maske nicht tragen könne, sie nachts vom Kopf reiße und dass er den Kläger an die HNO Klinik Khospital zur Suche nach einer Therapiealternative (Schrittmacherimplantation am Zungengrund oder Unterkieferprotrusionsschiene) überwiesen habe.

Die ambulante Behandlung im Khospital folgte am 21.01.2019. Aus dem zugehörigen Befundbericht vom 30.07.2022 (sic), der auf Anforderung des Berichterstatters erstmals im Berufungsverfahren aktenkundig wurde, gehen die Hauptdiagnosen hochgradiges OSAS (obstruktives Schlafapnoesyndrom) und CPAP-Intoleranz hervor. Dem Kläger sei als Therapiealternative die Implantation eines Zungenschrittmachers empfohlen und ein OP-Termin vereinbart worden. Nach der in diesem Bericht wiedergegebenen Anamnese habe der Kläger nach der Erstdiagnose des OSAS im Oktober 2018 über mehrere Wochen versucht, mit der Maske zu schlafen, jedoch habe er „große Probleme beim Einschlafen sowie subjektive Durchschlafstörungen, da er sich durch die Schläuche gestört fühle.“ Die APAP-Therapie sei daher im Dezember 2018 wieder abgebrochen worden.

Am 15.07.2019 beantragte der Kläger beim Beklagten die Erhöhung seines GdB und gab zur Begründung die Erkrankungen schwergradige obstruktive Schlafapnoe, Hypersomnie und koronare Herzkrankheit an. Der Beklagte zog Befundberichte der behandelnden Ärzte bei.

Laut vorläufigem Entlassungsbericht der K1-Klinik D vom 26.07.2019 über eine stationäre Reha-Behandlung des Klägers wegen seiner koronaren Herzkrankheit vom 08.07.2019 bis 29.07.2019 finde wegen des vordiagnostizierten obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms seit Anfang 2019 bei Unverträglichkeit keine Therapie statt. Ein Schlafapnoe-Syndrom liege derzeit nicht vor.

Mit Befundbericht vom 22.08.2019 berichtete der K2, dass der Kläger die Schlafapnoe-Geräte „leider vertrage“ (sic) und aktuell bei massiven Schlafstörungen kein CPAP-Gerät habe. Der Kläger lehne leider e...

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