Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. GdB-Feststellung. Versorgungsmedizinische Grundsätze. Schlafapnoe-Syndrom. Maskenunverträglichkeit trotz erforderlicher nasaler Überdruckbeatmungstherapie. GdB von 50

 

Leitsatz (amtlich)

Für ein Schlafapnoe-Syndrom ist ein Einzel-GdB von 50 wegen nicht durchführbarer nasaler Überdruckbeatmung anzunehmen, wenn bei einem Bauchlagen-Schläfer eine Maskenbeatmung ohne Leckagen objektiv nicht durchführbar ist.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28.06.2018 sowie der Bescheid vom 07.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 07.08.2015 abgeändert und die Beklagte verurteilt, beim Kläger

einen GdB von 60 ab dem 07.05.2019 festzustellen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Beru-fungsverfahren. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Grades der Behinderung (GdB).

Der im Jahr 1958 geborene Kläger beantragte erstmals am 06.09.2009 die Zuerkennung eines GdB. Zuletzt betrug der GdB 30 aufgrund des Bescheides vom 16.09.2009. Hierbei wurde eine seelische Störung und Depression mit einem GdB von 30, eine Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen (Tinnitus) mit 10 sowie eine Herzleistungsminderung, Bluthochdruck und arterielle Verschlusskrankheit mit 10 berücksichtigt (Bl. 36 der Verwaltungsakte).

Am 31.03.2015 beantragte der Kläger die Erhöhung des GdB und teilte mit, dass er an einem Schlafapnoe-Syndrom leide und mit Maske nicht länger als 2 bis 2,5 Stunden schlafen könne (Bl. 79 - 80 der Verwaltungsakte). Das Landratsamt R.-M.-Kreis (LRA) zog einen Befundbericht des Facharztes für Innere Medizin/Pneumologie/Schlafmedizin Dr. H. vom 23.03.2015 bei (Bl. 81 der Verwaltungsakte) und lehnte nach Einholung einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme bei Dr. F. (Bl. 83 - 84 der Verwaltungsakte) die Höherbewertung des GdB mit Bescheid vom 07.05.2015 ab (Bl. 85 - 86 der Verwaltungsakte).

Der Kläger erhob hiergegen am 18.05.2015 Widerspruch und teilte zur Begründung mit, dass er die Voraussetzungen der Schwerbehinderung nach § 2 Abs. 2 SGB IX erfülle. Das Schlafapnoe-Syndrom sei nicht angemessen bewertet. Eine Behandlung und nächtliche Beatmung werde durch die nächtlichen Atemaussetzer und die grundsätzliche Bauchschläferlage erheblich erschwert. Es sei ein GdB von 50 zuzuerkennen. Die Osteoporose sei ebenfalls nicht ausreichend bewertet und rechtfertige angesichts der nachweislich auftretenden vermehrten Knochenbruchneigung einen höheren GdB. Die beidseitigen Hörbeschwerden und Ohrgeräusche führten zu einer deutlichen Befindlichkeitseinschränkung und zu einer Verschlechterung des Gehörs. Der hierfür zuerkannte GdB sei ebenfalls deutlich zu gering. Der Kläger legte Befundberichte der behandelnden Ärzte vor (Bl. 93 - 102 der Verwaltungsakte). Dr. S. bewertete in einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 07.07.2015 nach Beiziehung eines weiteren Befundberichts des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. K. (Bl. 104 der Verwaltungsakte) den GdB mit 30 (Seelische Störung, Depression GdB 30, Schwerhörigkeit, Ohrgeräusche GdB 10, Herzleistungsminderung, Bluthochdruck GdB 10, arterielle Verschlusskrankheit GdB 10, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose) GdB 10, Nierenfunktionseinschränkung GdB 10, Schlafapnoe-Syndrom GdB 10, Bl. 110 - 108 der Verwaltungsakte).

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.08.2015 zurück (Bl. 110 - 112 der Verwaltungsakte) und verwies darauf, dass das Schlafapnoe-Syndrom zusätzlich zu berücksichtigen sei, jedoch nur mit einem GdB von 10 und somit keine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung vorliege. Ein GdB von 50 könne nicht festgestellt werden.

Der Kläger hat am 11.09.2015 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und hat zur Klagebegründung angeführt, dass das Schlafapnoe-Syndrom nicht angemessen bewertet sei. Die Schlafapnoe lasse sich durch eine Maske nicht beheben. Er sei Bauchschläfer, hierdurch verrutsche die Maske ständig und sei nicht brauchbar. Hierfür sei allein ein GdB von 50 gerechtfertigt.

Das SG hat die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen.

Der Orthopäde Dr. Se. hat mit Schreiben vom 19.10.2015 mitgeteilt, dass ein Lendenwirbelsäulensyndrom und eine Osteopenie der Lendenwirbelsäule vorliege. Diese seien als mittelgradig einzustufen (Bl. 40 - 41 der SG-Akte).

Der Hals-Nasen-Ohren-Facharzt Dr. K. hat mit Schreiben vom 22.10.2015 mitgeteilt, dass er eine Innenohrschwerhörigkeit beidseits und einen Tinnitus aurium diagnostiziert habe. Die Schwerhörigkeit beidseits sei gering bis mittelgradig. Der Auffassung des Versorgungsärztlichen Dienstes stimme er zu (Bl. 42 - 44 der SG-Akte).

Der Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Sportmedizin Dr. Kn. hat mit Schreiben vom 26.10.2015 angegeben, dass der Kläger an einer leich...

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