Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftlichkeitsprüfung. Darlegung. Praxisbesonderheit. kompensatorische Einsparung. Schätzung. unwirtschaftlicher Mehraufwand. offensichtliches Mißverhältnis

 

Orientierungssatz

1. Das Vorbringen des Arztes zu Praxisbesonderheiten und kompensierenden Einsparungen muß schon im Verwaltungsverfahren vorliegen. Erst später erhobene Einwendungen gegen den Vorwurf unwirtschaftlichen Mehraufwandes bleiben grundsätzlich unberücksichtigt. Ein substantiiertes Vorbringen erfordert darüber hinaus konkrete Darlegungen (vgl LSG Stuttgart, vom 6.9.1995, L 5 Ka 2283/94 = MedR 1996 139, 142 mwN).

2. Es bedarf keiner Schätzung des unwirtschaftlichen Mehraufwandes, wenn dem Arzt nach der Kürzung ein Honorarbetrag belassen wird, der weiterhin im Bereich des offensichtlichen Mißverhältnisses liegt (vgl BSG vom 28.10.1992 - 6 RKa 3/92 = BSGE 71, 194).

 

Tatbestand

Streitig ist die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers im Primär- und Ersatzkassenbereich im Quartal IV/93.

Der Kläger ist als Allgemeinarzt in Neckartenzlingen niedergelassen und war im streitbefangenen Quartal zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im Quartal IV/93 behandelte der Kläger 1.032 Primär- und Ersatzkassenpatienten (Fachgruppe im Durchschnitt 1.053). Der Anteil der Rentner betrug 36,5% (Fachgruppe 27,8%). Der Kläger rechnete einen Gesamtfallwert (Leistungsgruppe 1-12) von 1.371,6 Punkten ab, während die Fachgruppe, gewichtet nach dem Rentneranteil des Klägers, durchschnittlich 955,2 Punkte abrechnete. Dies ergab bei einer einfachen Standardabweichung (Sigma) von 223,7 Punkten eine Überschreitung von 1,9 Sigma. Bei der Leistungsgruppe 2 (Besuchsleistungen) rechnete der Kläger einen Fallwert von 462,3 Punkten ab, während die Fachgruppe, gewichtet nach Rentneranteil, 149,3 Punkte abrechnete. Dies ergab bei einer einfachen Standardabweichung von 89,2 Punkten eine Überschreitung von 3,5 Sigma. Bei der Leistungsgruppe 13 (Wegegebühren) stand ein Fallwert des Klägers von 11,9 Punkten dem rentnergewichteten Fachgruppenwert von 3,67 Punkten gegenüber (Abweichung 3,4 Sigma oder 224%).

Mit Schreiben vom 25.04.1994 beantragte die Beigeladene Ziff. 1 beim Prüfungsausschuß, die Abrechnung des Klägers daraufhin zu überprüfen, ob die Behandlungsweise dem Gebot der Wirtschaftlichkeit entspreche.

Der Prüfungsausschuß kürzte mit Bescheid vom 04.08.1994 die Honoraranforderung um 88.280 Punkte und die Wegegebühren von 12.276,35 DM um 2.271,50 DM. Der Kürzungsbetrag von 88.280 Punkten ergab sich aus einer Streichung der Leistungsgruppe 02 auf 2,55 Sigma-Überschreitung. Zur Begründung führte der Prüfungsausschuß aus, er habe die Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis bei der Leistungsgruppe 2 anhand einer Korrektur für multiples Testen festgelegt. Aufgrund dieser Korrekturberechnung sei die Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis bei der Leistungsgruppe 02 bei einer Überschreitung von 2,55 Sigma zu ziehen. Diese bedeute, daß eine darüber hinausgehende Überschreitung mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 97% nicht auf Praxisbesonderheiten, sondern auf Unwirtschaftlichkeit zurückzuführen sei. Es lägen keine Praxisbesonderheiten bzw. kausale Einsparungen vor, die den darüber hinausgehenden Mehraufwand rechtfertigten. Nach Durchsicht der Behandlungsausweise, die eine auffällige Ansatzhäufigkeit der Gebühren-Nr. 25 zeigten, habe nicht festgestellt werden können, daß die Art der zu behandelnden Erkrankungen so große Unterschiede im Vergleich mit der Fachgruppe auswiesen, daß dies den gesamten Besuchsaufwand rechtfertigen könne.

Hiergegen erhob der Kläger am 02.09.1994 Widerspruch und führte aus, er habe einen sehr hohen Rentneranteil in der seit über 40 Jahren bestehenden Praxis zu betreuen. Der Verdünnungsfaktor durch häufig wechselnde Patienten sei durch die Zunahme der Arztdichte mehr oder weniger in Wegfall gekommen. Der hohe Rentneranteil erhöhe den Behandlungsdurchschnitt.

Der Beklagte gab durch Bescheid vom 09.01.1995 dem Widerspruch des Klägers nicht statt. Zur Begründung führte er aus, der Fachgruppe der Allgemeinärzte hätten im Quartal IV/93 1.501 Ärzte angehört. Diese Anzahl sei ebenso ausreichend groß zur Bildung von Durchschnittswerten wie die Anzahl der vom Kläger abgerechneten Fälle von 1.032. Der erhöhte Rentneranteil in der Praxis des Klägers sei durch eine entsprechende Gewichtung der jeweiligen Fachgruppendurchschnittswerte in den statistischen Vergleich eingeflossen. Bei den Arzneikosten überschreite der Kläger im Quartal IV/93 mit durchschnittlich 231,75 DM pro Fall den mit seinem Rentneranteil gewichteten Fachgruppendurchschnittswert in Höhe von 141,77 DM um 63,5%. Einsparungen auf dem Arzneikostensektor seien damit nicht gegeben. Über den bereits berücksichtigten erhöhten Rentneranteil hinaus könne der Beklagte kein von der Typik der Vergleichsgruppe abweichendes Patientengut feststellen. Der Beklagte halte die Entscheidung des Prüfungsausschusses, bei der Prüfung des Quartals IV/93 primär an der Leistungsg...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge