Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. neue Behandlungsmethode. Liposuktion (hier: in einem ambulanten OP-Zentrum mit anschließender nächtlicher Unterbringung in benachbarter Privatkrankenanstalt). keine Umgehung der Anforderungen von § 135 SGB 5 durch Verschiebung einer ambulant erbringbaren Leistung in den stationären Bereich. Erlass einer Erprobungsrichtlinie nach § 137e SGB 5 schließt Anwendung von § 137c Abs 3 SGB 5 aus
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anforderungen von § 135 SGB V dürfen nicht dadurch umgangen werden, dass eine ambulant erbringbare Leistung in den stationären Bereich verschoben wird.
2. Eine ambulant und nicht stationär durchgeführte Liposuktion ist auch anzunehmen, wenn die Liposuktion in einem ambulanten OP-Zentrum durchgeführt wird und die Patientin anschließend in einer benachbarten Privatkrankenanstalt die Nacht verbringt. Es fehlt bei dieser Vorgehensweise auch deshalb an einer Eingliederung der Patientin in das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses, weil die Maßnahme nicht in der Verantwortung der Privatkrankenanstalt, sondern in der des Vertragsarztes durchgeführt wurde.
3. Der Erlass einer Erprobungsrichtlinie nach § 137e SGB V ist eine Entscheidung des G-BA nach § 137c Abs 1 SGB V, die für die Zeit ab ihrem Inkrafttreten die Anwendung von § 137c Abs 3 SGB V ausschließt.
Orientierungssatz
Zu Leitsatz 1 vgl BSG vom 16.12.2008 - B 1 KR 11/08 R = SozR 4-2500 § 13 Nr 19.
Normenkette
SGB V § 135 Abs. 1 S. 1, § 137c Abs. 1 Sätze 1, 3, Abs. 2 S. 2, Abs. 3, § 137e Abs. 6, § 2 Abs. 1 Sätze 1, 3, Abs. 1a, § 12 Abs. 1, § 13 Abs. 2, 3 S. 1, Abs. 3a S. 1, § 27 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nrn. 1, 5, § 39 Abs. 2, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5, § 107 Abs. 2 Nrn. 2-4; GOÄ § 6a Abs. 1; SGG § 109
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 17.06.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für Liposuktionen an Armen und Beinen in vier Behandlungsschritten.
Die 1967 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Am 11.08.2014 beantragte sie die Gewährung von Liposuktionen der Arme und Beine unter Vorlage eines Befundberichts von Dr. W. vom 06.03.2014, eines Attestes von Dr. B. vom 20.02.2014 und einer Empfehlung der Fachklinik für operative Lymphologie (CG Ly.) vom 13.02.2014, wonach die Therapie der Wahl für das Lipödem eine lymphologische Liposkulptur sei, die ambulant durchgeführt werden könne mit voraussichtlichen Kosten von ca 16.500 €.
Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) mit der Erstellung eines sozialmedizinischen Gutachtens und teilte dies der Klägerin unter dem 22.08.2014 mit. Dr. U. führte in seinem Gutachten vom 28.08.2014 aus, dass bei der Klägerin ein Lipödem Stadium III beidseits bestehe. Die Liposuktion sei eine neue, noch nicht anerkannte Behandlungsmethode. Vorliegend würden konservative Behandlungsmethoden empfohlen wie manuelle Lymphdrainage, Kompressionen und Bewegungstherapie. Mit Bescheid vom 03.09.2014 lehnte die Beklagte die Gewährung der Liposuktionen bzw eine entsprechende Kostenübernahme ab.
Mit ihrem Widerspruch vom 23.09.2014 legte die Klägerin eine gutachterliche Stellungnahme von Dr. R., Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie (Blatt 25 bis 36 Verwaltungsakte) sowie einen Befundbericht von Dr. W. vor, welcher von einer anhaltenden, glaubhaften hochgradigen Beeinträchtigung durch das Lipolymphödem und die konsekutiv bestehenden Schmerzen berichtet. Langjährige Therapiemaßnahmen seien dauerhaft nicht hilfreich gewesen, zuletzt sei es durch die Cortisontherapie zu einer deutlichen Verschlechterung gekommen. Der Bevollmächtigte der Klägerin führte zur Begründung des Widerspruchs weiter aus, die Klägerin leide aufgrund des Lipödems an Schmerzen in den Beinen, Druck- und Berührungsschmerzen, Spannungs- und Schwellungsgefühlen sowie wiederkehrenden Hämatomen. Eine kausale Behandlung existiere nicht. Die leitliniengerechte Therapie ziele allein auf Beschwerdelinderung durch konservative Maßnahmen. Alternativ dazu komme eine Reduktion des Fettgewebes mittels Liposuktion in Betracht. Allein dieses Therapieverfahren könne dem drohenden frühzeitigen Gelenkverschleiß mit Arthrosen im Knie- und Sprunggelenk entgegenwirken. Da in ihrer Situation die Liposuktion nur stationär ausgeführt werden könne, wie Dr. R. eindeutig ausgeführt habe, stelle sich die Frage einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Hinblick auf § 137c Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht.
Der MDK blieb mit Gutachten vom 10.12.2014 (Dr. S.) bei seiner bisherigen Beurteilung. Auch wenn eine Lipomatose oder ein Lipödem durch reduzierte Kalorienzufuhr nur schwer beeinflussbar sein könne, sei bei Übergewichtigen zunächst Normalgewicht anzustreben. Mit Stellungnahme vom 20.04.2015 sprach Dr. N. für den MDK weiterhin keine Empfehlung für die Kostenübernahme au...