Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Gewährung stationärer Liposuktionen. Geltung des Qualitätsgebots bei der Anwendung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im stationären Bereich
Orientierungssatz
Da der Gemeinsame Bundesausschuss ein Beratungsverfahren zur Bewertung der Liposuktion bei Lipödem gemäß §§ 135 Abs 1 und 137c SGB 5 eingeleitet hat, das noch nicht abgeschlossen ist, unterfällt die Liposuktion als Behandlungsmethode im Rahmen der stationären Krankenhausbehandlung in den Anwendungsbereich des § 137c Abs 3 SGB 5. Es ist jedoch weiterhin für jede einzelne Behandlungsmethode - hier die Liposuktion - zu prüfen, ob sie das Potenzial einer erfolgreichen Behandlungsalternative bietet. Diese Prüfung kann nur anhand der bisherigen Maßstäbe der § 2 Abs 1 S 3 und § 12 Abs 1 SGB 5 erfolgen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19.01.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung stationärer Liposuktionen.
Die 1986 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Am 13.06.2014 legte die Klägerin der Beklagten das nicht datierte Gutachten des Facharztes für Plastische Chirurgie Dr. R. (Diagnosen: drittgradiges Lipödem der Ober- und Unterschenkel, erstgradiges Lipödem der Oberarme), den Kostenvoranschlag des Dr. R. (Gesamtbetrag 4.051,71 €) und den Arztbrief des Internisten Dr. H. vor und beantragte die von Dr. R. vorgeschlagene stationäre Liposuktion. Ergänzend wies die Klägerin darauf hin, dass mit der Einnahme der Pille im Jahr 2003 ihre Gewichtsprobleme begonnen hätten und sich durch die Schwangerschaft nochmals verschlechtert habe. Vor der Schwangerschaft im Jahr 2010 habe sie 97 kg gewogen. Während der Schwangerschaft hätten dann die Beschwerden in den Beinen begonnen. Seitdem leide sie an starken Wassereinlagerungen, Problemen beim Laufen und ständigen Schmerzen. Obwohl sie regelmäßig Kompressionswäsche trage, einmal wöchentlich manuelle Lymphdrainage durchführe und zu Hause täglich ein Lympha -Pressgerät nutze, nehme der Umfang der Arme und Beine immer mehr zu. Sie habe täglich Spannungsgefühle in den Beinen und bekomme schon bei leichtester Berührung Hämatome. Wegen ihres äußeren Erscheinungsbildes schäme sie sich, unter Leute zu gehen. Zudem befürchte sie, ihren Beruf als Erzieherin nicht mehr ausüben zu können. Durch ihr Gewicht habe sie auch Folgekrankheiten wie beispielsweise hohen Blutdruck, Gelenkschmerzen sowie erhöhte Cholesterin- und Leberwerte. Leider habe auch die durchgeführte Ernährungsberatung von Februar bis Mai 2014 keinen Erfolg gehabt. Insoweit verwies sie auf das Gutachten der Diplom-Ernährungswissenschaftlerin M. vom 04.06.2014 (Größe der Klägerin: 160 cm; Gewicht zwischen 103,3 und 104,5 kg).
Die Beklagte veranlasste eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK). In dem Gutachten vom 18.06.2014 führte Dr. U., MDK, aus, für das Krankheitsbild der Klägerin stünden nach der entsprechenden Leitlinie folgende anerkannte schulmedizinische bzw. konservative Behandlungsmethoden zur Verfügung: Manuelle Lymphdrainage, Kompression, Bewegungstherapie und Hautpflege. Die (stationäre) Liposuktion stelle demgegenüber keine anerkannte Behandlungsmethode dar. Es fehlten insbesondere Langzeituntersuchungen, die belegten, dass durch die Liposuktion ein nachhaltiger Therapieerfolg bewirkt werde, und dass nach erfolgreicher Reduktion der Fettgewebsvermehrung nicht die Notwendigkeit weiterer Korrekturen am Hautmantel entstehe. Vor diesem Hintergrund sei die Durchführung einer (stationären) Liposuktion zur Behandlung des Lipödems und der Adipositas nicht notwendig, zumal die Klägerin auch nicht an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leide und auch nicht von einer notstandähnlichen Situation im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gesprochen werden könne.
Mit Bescheid vom 24.06.2014 lehnte die Beklagte die beantragte Liposuktion ab. Die Therapie entspreche bei dem Krankheitsbild der Klägerin nach Qualität und Wirksamkeit nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse.
Hiergegen legte die Klägerin am 18.07.2014 Widerspruch ein. Infolge des Lipödems leide sie an Schmerzen in den Beinen. Diese Schmerzen würden vor allem beim längeren Stehen, Treppensteigen und Hinknien bestehen. Sie müsse die Beine beim Sitzen auch ständig hochstellen. Hinzu kämen Druck- und Berührungsschmerzen, ein Spannungs- und Schwellungsgefühl sowie eine Neigung zu Hämatomen. Neben den bereits angesprochenen Maßnahmen habe sie in Eigenregie Schwimmen (2010-2011), Ausdauersport in einem Fitnessstudio (2007-2009) und eine Mutter-Kind-Kur (2013) durchgeführt. Derzeit gehe sie mindestens einmal wöchentlich eine Stunde schwimmen, ohne dass sich ihre Beschwerden hierdurch gebessert hätten. Bei ihr müssten pro Sitzung zwischen 3 und ...