Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Ruhen. Entlassungsentschädigung. fiktive Kündigungsfrist
Orientierungssatz
Voraussetzung für das Eingreifen der fiktiven Kündigungsfrist nach § 143a Abs 1 S 4 SGB 3 ist der Umstand, dass dem Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung gekündigt werden kann. Zur Beurteilung dieser Voraussetzung ist eine konkrete Betrachtungsweise geboten. Entscheidend ist, ob der Arbeitgeber eine Kündigungsmöglichkeit hätte realisieren können, ohne dass eine Abfindung zu zahlen gewesen wäre.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) wegen einer Abfindung geruht hat.
Der ... 1944 geborene Kläger war vom 28.08.1989 bis 31.03.1999 als Maschinenschlosser bei der Motoren-Werke-M AG beschäftigt. Er war Mitglied der IG Metall, seine frühere Arbeitgeberin Mitglied des Verbandes der Metallindustrie Baden-Württemberg. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Manteltarifvertrag für Arbeiter und Angestellte in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden (MTV) in der zuletzt maßgeblichen Fassung vom 18.12.1996 Anwendung, wonach u.a. Beschäftigte nach Vollendung des 53. Lebensjahres und einer Betriebszugehörigkeit von mindestens drei Jahren nur noch aus wichtigem Grund kündbar waren (§ 4.4 MTV). Das Arbeitsverhältnis endete durch die Kündigung der Arbeitgeberin vom 26.08.1998 zum 31.03.1999, mit der gleichzeitig eine Abfindung zugesichert wurde. Der Kläger erhielt eine Abfindung in Höhe von DM 132.700,--.
Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgte aus Anlass der Schließung der D MWM Fahrzeugmotoren GmbH und dem damit verbundenen Abbau aller 158 Arbeitsplätze in dieser Firma. Die D Fahrzeugmotoren GmbH hatte mit den Motoren-Werken M AG und der D AG, Service Center M, in M einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet. Zwischen den Motoren Werken M AG gleichzeitig handelnd im Namen der D MWM Fahrzeugmotoren GmbH und dem Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebs M wurde der Beschäftigungsplan/Interessenausgleich/Sozialplan vom 09.03.1998 geschlossen (Betriebsvereinbarung 02/98, im Folgenden: Betriebsvereinbarung). Dieser regelte den Abbau von Arbeitsplätzen wegen Schließung der D MWM Fahrzeugmotoren GmbH zum 31.03.1999 durch das Auslaufen in der Baureihe 226 zum vorgenannten Datum und das Verlagern von Produktionsanlagen im Rahmen eines Joint Ventures. Er sah u.a. nach Pensionierungs-Maßnahmen und dem Abschluss von Aufhebungsverträgen betriebsbedingte Kündigungen als letztes Mittel den Personalabbau vor (2.2). Beim Abschluss von Aufhebungsverträgen oder bei betriebsbedingten Kündigungen war eine Abfindung zu zahlen (2.3), deren Höhe sich nach der Anlage 2 der Betriebsvereinbarung richtete. Gleichzeitig sah die Betriebsvereinbarung Regelungen zur sozialen Auswahl (2.5 i.V.m. Anlage 3) vor. Die Betriebsvereinbarung ersetzte den Interessenausgleich/Sozialplan vom 15.10.1993, der das Auslaufen der Produktion der Baureihe 226 geregelt und für in diesem Zusammenhang ausscheidende Arbeitnehmer ebenfalls Abfindungen vorgesehen hatte. Am 05.06.1997 schlossen die Tarifparteien den Zusatztarifvertrag zum MTV für alle Mitarbeiter, so weit sie Mitglied der IG Metall waren und einer in der oben genannten Firmen des Gemeinschaftsbetriebes in M angehörten. Nach § 2 des Zusatztarifvertrages fand § 4.4 MTV keine Anwendung, für die Beschäftigten galten die ordentlichen Kündigungsfristen gemäß § 4.5 MTV. Der Zusatztarifvertrag endete am 31.12.1998 und wirkte nicht nach (§ 3 Zusatztarifvertrag).
Zum 01.04.1999 meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt (AA) M arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg). Er gab eine Stellungnahme zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab. Im Rahmen der Prüfung des Eintritts einer Sperrzeit legte die Arbeitgeberin eine Arbeitsplatzbeschreibung vor, wonach der Kläger mittelschwere Arbeiten im Stehen in Tagesschicht in geschlossenen Räumen verrichtet habe. Die Arbeitsamtsärztin Dr. L-Sch hielt in ihrem Schreiben vom 14.05.1999 den Kläger für fähig, leichte und mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Arbeiten, bei denen er atemwegsreizenden Stoffen ausgesetzt werde, könnten nicht verrichtet werden.
Mit Bescheid vom 22.07.1999 lehnte das AA den Antrag für die Zeit bis 26.08.1999 ab, weil bis zu diesem Zeitpunkt der Anspruch auf Alg wegen der gezahlten Abfindung ruhe. Mit weiterem Bescheid vom 26.07.1999 bewilligte es Alg ab 27.08.1999 in Höhe von DM 517,44 wöchentlich für eine Anspruchsdauer von 971 Tagen. Eine Sperrzeit wurde nicht festgestellt.
Der Kläger erhob Widerspruch, mit dem er die Zahlung von Alg bereits ab 01.04.1999 begehrte. Die D MWM Fahrzeugmotoren GmbH sei geschlossen worden. Hierdurch seien 158 Arbeitsplätze entfallen. In die Sozialauswahl seien alle Mitarbeiter des Gemeinschaftsbetriebes einzubeziehen gewesen. Eine Weiterbeschäftigung habe nicht erfolgen können. Es sei nicht möglich gewesen, rechtlich gegen die Kündigung vorzugehen. Die Kündigungsfrist habe der Arbeitgeber einge...