Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Ruhen. Nichteinhaltung der fiktiven Kündigungsfrist des § 143a Abs 1 S 4 SGB 3
Orientierungssatz
1. Wird durch einen Zusatztarifvertrag der tarifliche Ausschluss der ordentlichen Kündigung älterer Arbeitnehmer wirksam befristet beseitigt und hat der Arbeitnehmer nach Betriebsvereinbarung (Sozialplan) bei ordentlicher Kündigung Anspruch auf Zahlung einer Abfindung, so liegen die Voraussetzungen für die Anwendung der fiktiven Kündigungsfrist des § 143a Abs 1 S 4 SGB 3 vor.
2. Unerheblich ist, ob der Zusatztarifvertrag gerade im Hinblick auf den Sozialplan abgeschlossen oder der Sozialplan vor oder nach Abschluss des Zusatztarifvertrages vereinbart worden ist. Erforderlich ist auch nicht, dass Sozialplan und Zusatztarifvertrag von denselben Beteiligten geschlossen worden sind oder dass die Zahlung der Abfindung Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung gewesen ist. Es kommt nur darauf an, ob dem Arbeitslosen hätte ordentlich gekündigt werden können, ohne dass eine Abfindung zu zahlen gewesen wäre.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) wegen einer Abfindung geruht hat.
Der ... 1940 geborene Kläger war vom 16.09.1979 bis 31.03.1999 als Maschinenschlosser bei der D MWM Fahrzeugmotoren GmbH beschäftigt. Er war Mitglied der IG Metall, seine frühere Arbeitgeberin Mitglied des Verbandes der Metallindustrie Baden-Württemberg. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Manteltarifvertrag für Arbeiter und Angestellte in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden (MTV) in der zuletzt maßgeblichen Fassung vom 18.12.1996 Anwendung, wonach u.a. Beschäftigte nach Vollendung des 53. Lebensjahres und einer Betriebszugehörigkeit von mindestens drei Jahren nur noch aus wichtigem Grund kündbar waren (§ 4.4 MTV). Das Arbeitsverhältnis endete durch die Kündigung der Arbeitgeberin vom 30.07.1998 zum 31.03.1999, mit der gleichzeitig eine Abfindung zugesichert wurde. Der Kläger erhielt eine Abfindung in Höhe von DM 35.400,--.
Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgte aus Anlass der Schließung der D MWM Fahrzeugmotoren GmbH und dem damit verbundenen Abbau aller 158 Arbeitsplätze in dieser Firma. Die D Fahrzeugmotoren GmbH hatte mit den Motoren-Werken M AG und der D AG, Service Center M, in M einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet. Zwischen den Motoren Werken M AG gleichzeitig handelnd im Namen der D MWM Fahrzeugmotoren GmbH und dem Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebs M wurde der Beschäftigungsplan/Interessenausgleich/Sozialplan vom 09.03.1998 geschlossen (Betriebsvereinbarung 02/98, im Folgenden: Betriebsvereinbarung). Dieser regelte den Abbau von Arbeitsplätzen wegen Schließung der D MWM Fahrzeugmotoren GmbH zum 31.03.1999 durch das Auslaufen in der Baureihe 226 zum vorgenannten Datum und das Verlagern von Produktionsanlagen im Rahmen eines Joint Ventures. Er sah u.a. nach Pensionierungs-Maßnahmen und dem Abschluss von Aufhebungsverträgen betriebsbedingte Kündigungen als letztes Mittel den Personalabbau vor (2.2). Beim Abschluss von Aufhebungsverträgen oder bei betriebsbedingten Kündigungen war eine Abfindung zu zahlen (2.3), deren Höhe sich nach der Anlage 2 der Betriebsvereinbarung richtete. Gleichzeitig sah die Betriebsvereinbarung Regelungen zur sozialen Auswahl (2.5 i.V.m. Anlage 3) vor. Die Betriebsvereinbarung ersetzte den Interessenausgleich/Sozialplan vom 15.10.1993, der das Auslaufen der Produktion der Baureihe 226 geregelt und für in diesem Zusammenhang ausscheidende Arbeitnehmer ebenfalls Abfindungen vorgesehen hatte. Am 05.06.1997 schlossen die Tarifparteien den Zusatztarifvertrag zum MTV für alle Mitarbeiter, so weit sie Mitglied der IG Metall waren und einer in der oben genannten Firmen des Gemeinschaftsbetriebes in M angehörten. Nach § 2 des Zusatztarifvertrages fand § 4.4 MTV keine Anwendung, für die Beschäftigten galten die ordentlichen Kündigungsfristen gemäß § 4.5 MTV. Der Zusatztarifvertrag endete am 31.12.1998 und wirkte nicht nach (§ 3 Zusatztarifvertrag).
Zum 01.04.1999 meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt (AA) M arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg). Er gab eine Stellungnahme zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab.
Mit Bescheid vom 17.05.1999 lehnte das AA den Antrag für die Zeit bis 20.05.1999 ab, weil bis zu diesem Zeitpunkt der Anspruch auf Alg wegen der gezahlten Abfindung ruhe. Mit weiterem Bescheid vom 19.05.1999 bewilligt es Alg ab 21.05.1999 in Höhe von DM 495,39 wöchentlich für eine Anspruchsdauer von 971 Tagen.
Der Kläger erhob Widerspruch, mit dem er die Zahlung von Alg bereits ab 01.04.1999 begehrte. Die D MWM Fahrzeugmotoren GmbH sei geschlossen worden. Hierdurch seien 158 Arbeitsplätze entfallen. In die Sozialauswahl seien alle Mitarbeiter des Gemeinschaftsbetriebes einzubeziehen gewesen. Eine Weiterbeschäftigung habe nicht erfolgen können. Es sei nicht möglich gewesen, rechtlich gegen die Kündigung vorzugehen. Die Kündigungsfrist habe der Arbeitgeber e...