Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersteilzeit. Erstattung des Aufstockungsbetrages des Arbeitgebers durch die BA. Wiederbesetzung der Altersteilzeitstelle in gleichem zeitlichen Umfang. Kostenfreiheit im sozialgerichtlichen Verfahren
Orientierungssatz
1. Seit der Novellierung des AltTZG 1996 zum 1.1.2000 sind die Anforderung an die Wiederbesetzung der freigewordenen bzw -gemachten Altersteilzeitstelle auf ein Minimum reduziert und in der Praxis wird die für Kleinbetriebe geltende Vermutungsregelung des § 3 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a AltTZG 1996 auch angewandt, wenn innerhalb von Betrieben oder Funktionsbereichen eine Organisationseinheit mit bis zu 50 Arbeitnehmern besteht.
2. Das AltTZG 1996 verlangt zwar durchaus die Wiederbesetzung der Stelle in gleichem zeitlichen Umfang, wenn aber - wie hier - die Vermutungsregelung für Kleinbetriebe unter funktionsbereichsbezogener Betrachtungsweise Anwendung findet, dann ist auch bei der Prüfung, ob die Wiederbesetzung in gleichem zeitlichen Umfang erfolgt ist, auf den Funktionsbereich bzw die Organisationseinheit abzustellen.
3. Die Anspruchsvoraussetzungen nach § 3 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a AltTZG 1996 sind daher erfüllt, wenn in der Organisationseinheit "Reinigungsdienst" eine arbeitslose Arbeitnehmerin mit geringerer Arbeitszeit neueingestellt und die Arbeitszeit anderer Arbeitnehmer erhöht wurde. Anderes würde nur gelten, wenn das gesamte Arbeitszeitvolumen im Reinigungsdienst wesentlich vermindert worden wäre.
4. Die Leistungen nach § 4 AltTZG 1996 begehrenden Arbeitgeber zählen zum Kreis der Leistungsempfänger iS von § 183 S 1 SGG, für die Kostenfreiheit im sozialgerichtlichen Verfahren besteht.
Nachgehend
Tenor
1. |
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Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kostenentscheidung des Urteils des Sozialgerichts Ulm vom 7.11.2006 dahingehend abgeändert wird, dass die Beklagte der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat. |
2. |
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Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens erstatten. |
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Leistungen nach dem Altersteilzeitgesetz (ATG).
Bei der Klägerin war im Reinigungsdienst vom 1.1.2004 bis 30.4.2006 die Bedienstete R G (G.) in Altersteilzeit beschäftigt. Die regelmäßige tarifliche Wochenarbeitszeit betrug 38,50 Stunden, die unmittelbar vor Beginn der Altersteilzeit vereinbarte Wochenarbeitszeit betrug 28,88 Stunden (75%). Die Altersteilzeit wurde als Blockmodell vereinbart und zwar mit einer Arbeitsphase bis 28.2.2005 und einer Freizeitphase ab 1.3.2005. Ab 1.2.2005 wurde die zuvor arbeitslose M B (B.) im Reinigungsdienst mit einem wöchentlichen Arbeitszeitumfang von 19,25 Stunden (50%) eingestellt. Gleichzeitig (ab 1.1.2005) wurde der Beschäftigungsumfang der ebenfalls im Reinigungsdienst beschäftigten E E (E.) von 50 auf 70% erhöht.
Am 24.8.2005 stellte die Klägerin bei der Beklagten Antrag auf Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 4 ATG wegen der Wiederbesetzung der Altersteilzeitstelle mit einem arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 25.8.2005 mit der Begründung ab, die Wiederbesetzung sei nicht in dem zeitlichen Umfang erfolgt, in dem der ältere Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz freigemacht habe. Die wöchentliche Arbeitszeit der Wiederbesetzerin B. betrage (nur) 19,25 Stunden, dabei handele es sich um eine mehr als geringfügige Abweichung. Den Widerspruch der Klägerin vom 16.9.2005 wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 8.11.2005 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 30.11.2005 beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben. Sie hat darauf abgestellt, die Reduzierung der Wochenarbeitszeit von zuvor 75% auf danach 50% schließe eine "Wiederbesetzung" nicht aus. Dass die Beklagte nur eine unwesentliche Änderung akzeptiere und diese mit bis zu 10% annehme, sei willkürlich und finde im Gesetz keine Stütze.
Durch Urteil vom 7.11.2006 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.11.2005 verurteilt, der Klägerin Leistungen nach dem ATG in gesetzlicher Höhe zu gewähren, ferner habe die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen. Nach § 3 Abs. 1 Ziff. 2a ATG sei insoweit Voraussetzung, dass der Arbeitgeber einen bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer auf dem freigemachten oder auf einem in diesem Zusammenhang durch Umsetzung freigewordenen Arbeitsplatz versicherungspflichtig im Sinne des Dritten Buches Sozialgesetzbuch beschäftige. Diese Voraussetzungen erfülle die Klägerin durch die Wiederbesetzung der Stelle mit einer neuen Arbeitnehmerin mit einem zeitlichen Arbeitsumfang von 19,25 Stunden wöchentlich. Die von der Beklagten vertretene Auffassung, wonach der Arbeitsplatz maximal um 10% von dem alten Arbeitsplatz abweichen dürfe, finde im Gesetz keinerlei Stütze, damit könne der Anspruch der Klägerin nicht abgelehnt werd...